Am Sonntag startet im ZDF der Dreiteiler „Honigfrauen“: Mit spürbarem Interesse an den Figuren handelt das DDR-Vorwendedrama von Catrin und Maja, die ihren Urlaub am Sehnsuchtsort des Sozialismus verbringen.

Stuttgart - Das Böse hat keine Größenordnung. Es beschreibt eher einen Wesenskern als die Zahl jener, dem er eigen ist. Wenn man hingegen die Darstellung deutscher Diktaturen im Fernsehen betrachtet, zeigt sich das Böse oft als klar umrissener Personenkreis. Wird zum Beispiel der Nationalsozialismus akkurat ausstaffiert zum Filmthema, wie es Guido Knopp vor einigen Jahren fast wöchentlich tat, dann gibt es pro Dorf in der Regel maximal zwei Nazis und selbst im Führerhauptquartier mehrheitlich nur Regimegegner. Doch während das Tätervolk fiktional vor 1945 vielfach zur überschaubaren Schar brauner Fieslinge schrumpft, wächst es danach, wenn es um das Tätervolk der DDR geht, regelmäßig auf halbe Bevölkerungsgröße an.

 

Der Sündenfall war Hans-Christoph Blumenbergs 2003 erschienenes Doku-Drama „Der Aufstand“ über die Ereignisse vom 17. Juni 1953: In dem Film zogen uniformierte Killerkommandos durch Ostberlin, um Konterrevolutionäre zu jagen, als hätte der Regisseur versehentlich die Stasi mit SA und SS verwechselt. Spätestens seit dieser tendenziösen Darstellung der finstersten Zeitgeschichte gilt am Bildschirm häufig: Das Unrechtssystem Ost war allgegenwärtig, umfassend und nicht selten von allgemeinem Konsens getragen – das von Hitler dagegen war eben das von Hitler plus ein paar Mittäter, ansonsten aber bewohnt von den ersten Opfern des Krieges.

Paarungsfähige Ossi-Mädchen im Zelt

Das sollte man im Kopf haben, wenn nun das neueste Vorwendedrama anläuft. „Honigfrauen“ erzählt an den kommenden drei Sonntagen die Urlaubsreise zweier junger Schwestern aus Erfurt zum Sehnsuchtsort des Sozialismus. Am Balaton erleben Catrin und Maja aber nicht nur Friede, Freude, Liebeleien, sondern auch gleich alles, was das Familienleben in Diktaturen halt mehr erschüttert als in Demokratien: Lügen, Verrat und Willkür. Dennoch bietet Ben Verbongs Dreiteiler etwas Ungewöhnliches, fast Sensationelles: Das Böse der DDR ist nämlich nur ein Aspekt unter vielen anderen. Die „Honigfrauen“, wie die Wessi-Jungs im Devisenhotel paarungsfähige Ossi-Mädchen im Zelt nennen, dürfen im ZDF ausnahmsweise einfach nur Menschen sein. Zumindest vorerst.

Denn nachdem Cornelia Gröschel und die im Fernsehen dieser Bauart unvermeidliche Sonja Gerhardt ihre Freizeit anderthalb Teile lang unbefangen genießen durften, sickert die Realität mit jeder Minute tiefer ins Ferienglück der jungen Hauptfiguren. Catrins Schwarm Rudi (Franz Dinda) erweist sich bald als Spitzel auf der Jagd nach Republikflüchtlingen und Majas Lover Tamás (Stipe Erceg) als ungarischer Fluchthelfer. Mutter Kirsten (Anja Kling) teilt derweil ein dunkles Familiengeheimnis mit dem anwesenden BRD-Bürger Erik (Dominic Raacke), was die Begegnung mit dem nachgereisten Vater Karl (Götz Schubert) am Plattensee verkompliziert.

Wohldosierte Ideologie

Im Drehbuch von Natalie Scharf und Christoph Sieber sind diese Verwicklungen nie ganz frei von Weltpolitik. Dennoch darf sich der Alltag des Ostens hier unabhängiger von jeder Ideologie entfalten als in all den DDR-Abhandlungen von „Das Leben der anderen“ bis zuletzt „Der gleiche Himmel“. Die Ausstattung des Films ist weniger gewollt als sonst in der Dutzendware des Fernsehens und liefert ein angemessen nostalgisches Design. Und der Soundtrack grast nicht zwanghaft die Hits der achtziger Jahre ab, sondern streut auch mal Manfred Krug mit subversivem Frohsinn à la „Spazieren nur auf der Sonnenseite/dann wird alles gut“ ein. Selbst die realsozialistische Enge daheim wird hier eher dokumentiert als ausgestellt.

Gewiss: auch dieser opulente Dreiteiler bleibt ein Blockbuster für den Massengeschmack mit etwas zu netten Sympathieträgerinnen, etwas zu fiesen Führungsoffizieren und etwas zu viel Sonnenschein, wenn die Laune gut ist, und etwas zu wenig, wenn sie sinkt. Doch das Wesen der Protagonisten, ihre Vorlieben und Nöte, ist den Machern der „Honigfrauen“ spürbar wichtiger als die Größenordnung des Bösen. Im abgenutzten Genre zeitgeschichtlicher Fiktion ist das eine Menge wert.