Übermäßiger Bartwuchs am ganzen Körper, zu viele Kilos auf den Hüften: Fast jede zehnte Frau leidet an einer Störung im Hormonhaushalt, dem PCOS. Meist sind zu viele männliche Hormone im weiblichen Körper vorhanden. Oft wird die Erkrankung nicht erkannt.

Stuttgart - Meist zeigt sich die Störung im Hormonhaushalt im Gesicht: Stoppeln am Kinn und ein Flaum auf der Oberlippe machen den Frauen das Leben schwer. Bei acht bis zehn Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter ist der Haushalt der Geschlechtshormone gestört, sie leiden unter dem polyzystischen Ovarsyndrom, kurz PCOS.

 

Häufig sind männliche Sexualhormone, die Androgene, in zu hohen Mengen vorhanden. PCOS kann sich in vielfältiger Weise auswirken und in diversen Ausprägungen auftreten. Besonders belastend wird der männliche Haarwuchs (Hirsutismus) im Gesicht und am Körper beschrieben, beispielsweise auch an den Oberschenkeln, um die Brustwarzen und vom Schambereich zum Bauchnabel. Doch nicht jeder Hirsutismus ist eine PCOS-Folge. Weitere mögliche Symptome des Syndroms sind Übergewicht, Akne, Haarausfall, ein gestörter Zuckerstoffwechsel bis hin zum Typ-2-Diabetes, erhöhte Blutfettwerte und Bluthochdruck. „Etwa 12 Prozent der Frauen mit PCOS haben eine Insulinresistenz, also die Vorstufe von Typ 2-Diabetes. Mit einem oralen Glukosetoleranztest kann getestet werden, ob eine Insulinresistenz vorliegt“, erklärt die gynäkologische Endokrinologin Vanadin Seifert-Klauss von der Frauenklinik des Klinikums rechts der Isar der TU München. Vielfach ist der Zyklus unregelmäßig. „Zumeist tritt die Periode nur alle fünf bis sechs, manchmal nur alle acht Wochen und in extremen Fällen sogar nur zwei- bis dreimal im Jahr auf“, sagt die Medizinerin Seifert-Klauss.

In jungen Jahren bemerken viele betroffene Frauen ihr „Problem“ gar nicht. Sei es, weil sie trotz fehlenden Eisprungs einen regelmäßigen Zyklus haben, sie bereits seit der Pubertät die Antibabypille zur Verhütung einnehmen oder übermäßiger Sport oder eine Essstörung für geraume Zeit die Eierstockfunktion stark heruntergefahren hat. Erst wenn bei Kinderwunsch die Pille abgesetzt und die Frau zunächst nicht schwanger wird und dafür die Haare sprießen, wird deutlich, dass etwas nicht stimmt. Die Ursachen für PCOS? „Die sind noch nicht genau bekannt. Die Erkrankung tritt mitunter familiär gehäuft auf. Aber bislang hat man kein PCOS-Gen gefunden“, sagt die Münchner Endokrinologin. Umweltfaktoren stehen in Verdacht, eine Rolle zu spielen. Dazu gehört etwa ein Überschuss an männlichen Hormonen der Mutter während der Schwangerschaft. „Möglicherweise kommt es schon während der Schwangerschaft zu einer Prägung der Kinder“, spekuliert Seifert-Klauss.

In leichten Fällen muss nicht behandelt werden

In leichten Fällen muss das Syndrom nicht unbedingt behandelt werden. Für alle anderen Fälle gilt: „Es ist zwar nicht möglich, aus einer Frau mit PCOS mittlerer Stärke eine Barbiepuppe zu machen, aber PCOS ist mit einem individuell zusammengestellten Maßnahmenpaket behandelbar. Bei manchen Frauen besser, bei anderen schlechter“, so die Medizinerin. Dazu gehört es, die Lebensgewohnheiten zu optimieren, um etwaiges Übergewicht zu reduzieren, die Insulinresistenz zu verbessern und die Insulinwerte abzusenken. Das vermindert die Androgenproduktion und wirkt auf den Zyklus normalisierend. Die Antibabypille, oder im zweiten Schritt die Antiandrogenpille, können den Zyklus normalisieren und einem Gebärmutterschleimhautkrebs vorbeugen und auch der Körperbehaarung recht gut entgegenwirken. „Die normale Antibabypille hilft jedoch nur der Hälfte der betroffenen Frauen“, schränkt Seifert-Klauss ein. Gegen den Haarwuchs im Gesicht gibt es eine für diesen Bereich zugelassene Creme. Außerdem ist eine regelmäßig zu wiederholende Lasertherapie möglich, die vor allem dunkelhaarigen Frauen hilft und von der gesetzlichen Krankenversicherung normalerweise nicht bezahlt wird.

Mit dem Diabetes-Medikament Metformin ist es möglich, gerade bei stark ausgeprägter PCOS sowohl Zyklus und Akne als auch die Insulinresistenz und Gewicht positiv zu beeinflussen. Allerdings ist Metformin zur Behandlung von PCOS eigentlich nicht zugelassen. Sollte es mit dem Kinderwunsch nicht klappen, kann das Medikament Clomifen die Eierstöcke hormonell stimulieren und einen Eisprung auslösen. „Allerdings muss man sehr darauf achten, dass keine Überstimulation der Eierstöcke ausgelöst wird, so dass zu viele Follikel produziert werden. Dann drohen nämlich Mehrlingsschwangerschaften, die sowohl für die Kinder als auch für die Eltern in vielerlei Hinsicht sehr belastend sein können“, warnt Seifert-Klauss.