Der CSU-Chef bringt immer öfter eine Koalition mit den Grünen ins Gespräch – alles Wahlkampftricks? Horst Seehofer gibt sich betont locker und selbstsicher.

München - Klar sagt er, die Bundestagswahl sei noch nicht gewonnen. Aber so wie Horst Seehofer da vorne sitzt an diesem Dienstagabend im Münchner Presseclub, locker, aufgeräumt, ohne den leisesten Anflug von Nervosität, kann man sich derzeit nichts vorstellen, was nicht so läuft, wie er es will. Da sieht sich einer mit 68 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen, wo ihm die „Micky-Maus-Strategien“ irgendwelcher „Prinzlinge“ nichts mehr anhaben können. Und geradezu diebisches Vergnügen bereitet es dem CSU-Chef, immer wieder einzustreuen, dass an den entscheidenden Fäden nur einer zieht. Keiner jedenfalls außer ihm.

 

In Berlin, sagt Seehofer, habe „die CSU mehr bewegt als die ganze Opposition“; bayerischen Ministern will er eine „Jobgarantie nur bis zur nächsten Kabinettsumbildung“ geben – die natürlich er als Ministerpräsident vornimmt. Und wenn er den einstigen Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg, diesen „erstklassigen Politiker“, gerne wieder „in unserer politischen Familie“ aktiv sähe, weil „die Leute spannende Figuren wählen und eine Partei interessant sein muss“, dann richtet Seehofer seinen CSU-Truppen gleichzeitig aus, für wie grau er sie alle hält. Und er lächelt dabei.

So viel Pragmatik war nie in der CSU

So einer interpretiert den „Klartext für unser Land“, den die CSU den Wählern im „Bayernplan“ versprochen hat, auf recht souveräne, eigene Weise. „Ich kann nicht im August 2017 ausschließen, was wir im Oktober 2017 tun müssen“, sagt Seehofer: „Von dieser Strategie halte ich überhaupt nichts.“ Er meint in diesem Falle eine Koalition mit den Grünen. Kann ja sein, sagt er, dass „das vom Wähler erzwungen wird; dann muss man es respektieren“.

So viel Pragmatik war nie in der CSU (und wie verbreitet sie über Seehofers politischen Kopf hinaus ist, weiß man nicht). Auf jeden Fall sind die Grünen kein Schreckgespenst mehr – auch nicht, das ist ja Seehofers eigentliche Perspektive, hinsichtlich der bayerischen Landtagswahl 2018. Bei entsprechendem „Zwang“ durch die Wähler werde man in Berlin halt „sondieren“, sagt er – aber auch die „roten Linien“ aufzeigen: Steuererhöhungen, ein Verbot von Verbrennungsmotoren, weniger Sicherheit, mehr Zuwanderung. Alles grüne Zumutungen; nicht zu machen mit den Schwarzen.

Seehofer bohrt nach passenden Formulierungen

Wobei: Das mit der Zuwanderung ist relativ. Sogar die Sache mit der „Obergrenze“. Zu Zeiten der Balkankriege, sagt er, habe das „Kontingente“ geheißen, und die wurden zeitweise verändert, anders auf die Länder aufgeteilt . . . „Mein Gott“, antwortet er einem Journalisten, „wenn sich Grundvoraussetzungen ändern, dann ändern auch Sie doch Ihre Lebensweise.“ Damals, Anfang der neunziger Jahre, habe es in Deutschland „eine Konkurrenz um die Arbeitsplätze gegeben“. Heute: keine Spur davon, im Gegenteil. „Wir sind bereit“, sagt Seehofer und bekräftigt: „Ja, Sie können schreiben, die CSU ist bereit, ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz zu machen.“

Gut, das steht im gemeinsamen Wahlprogramm der Union, ja sogar im separaten „Bayernplan“ der CSU, doch es fällt auf, wie stark Seehofer das Projekt noch mal herausstreicht. Und auch die begrifflichen Wendungen, die es genommen hat. Auf Nachfrage bestätigt er, dass es sich bei dem Vorhaben um das frühere „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“ der CSU handelte, das dann kein „Einwanderungsgesetz“ werden sollte, „weil wir nicht der ganzen Welt signalisieren wollen, kommt alle zu uns“. Dann habe man „gemeinsam mit der Kanzlerin“ nach einem Begriff gesucht: Übrig geblieben ist die „Fachkräfte-Zuwanderung“. Politik, man weiß es, ist eben die Kunst, nach passenden Formulierungen zu bohren.