Der neue Hospitalhof ist viel gelobt, aber seine Technik zickt noch. Beides hören Besucher auf Rundgängen, die dem nächsten Projekt dienen: der Sanierung der Hospitalkirche.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Architekturpreise sind das Eine. Mit ihnen wurde und wird das Büro Lederer, Ragnarsdóttir, Oei für seinen längst bundesweit berühmten Neubau des Hospitalhofs überhäuft. Die Technik ist das Andere. Oben im großen Saal sollten sich auf Knopfdruck die Klappen der Lichtaugen in der Fassade öffnen. Leider streikt die Mechanik. Und so raffiniert ausgetüftelt die Klimatisierung des Hauses ist, „ausgerechnet in meinem Trakt streikt die Heizung“, sagt Monika Renninger.

 

Ausgerechnet deswegen, weil sie die meiste Zeit von allen 130 Mitarbeitern im evangelischen Bildungszentrum verbringt. Renninger leitet es. Was in diesen Minuten wenig mit der Erhabenheit der Chefdaseins gemein hat. In diesen Minuten will sie wissen, welcher Berliner vor dem Eingang sein Auto derart geparkt hat, dass der Fluchtweg verstellt ist.

Die Chefin selbst führt durchs Haus

Renninger hat eben eine Führung durch das Haus beendet. Die Künstlergruppe Gedok hatte sich gleichsam selbst eingeladen. Die Chefin bietet Rundgänge an. Wer mag und eine Gruppe zusammenbringt, muss nur anrufen und akzeptieren, dass die Führungen nicht allein der preisgekrönten Architektur dienen, sondern zusätzlich einem Geschäftszweck: Spenden sind erbeten und nach einer Stunde Rundgang mehr Pflicht als Freiwilligkeit.

Selbstverständlich ist nicht Renningers eigentliche Aufgabe, Falschparker zu verscheuchen, sondern Einnahmen und Ausgaben in der Waage zu halten. Die Säle und Seminarräume des Hospitalhofs sind zu mieten. Wie vielfältig die Anfragen sind, zeigt dieser Abend beispielhaft. Im größten Saal laden die Theodor-Heuss-Stiftung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur weltpolitischen Runde über die Russlandpolitik. Im Erdgeschoss erzählt eine Theologin und Clownin, dass Kirche lustig sein kann. Hinten im Seminarraum versuchen die Mitglieder einer Yogagruppe, ihren Geist zu zentrieren.

Die Spenden von ihnen allen will die evangelische Kirche für ihr nächstes Bauprojekt ausgeben. Für 2,3 Millionen Euro soll die benachbarte Hospitalkirche saniert werden, weil „ohne sie das Ensemble nicht vollständig ist“, sagt Renninger. 600 000 Euro müssen dem Finanzplan gemäß gesammelt werden.

Von der Ehrwürdigkeit der Kirche blieb wenig

Genau genommen soll nicht die spätgotische Kirche saniert werden, sondern ihre Reste. Erbaut wurde die Kirche 1473. Bis ihr Schiff zerbombt wurde, bot sie Platz für 2000 Gläubige. Von ihrer Ehrwürdigkeit blieb wenig. Das historische Gestühl ziert längst die Leonhardskirche. Der Altar ist eine Nachbildung. Im Hof des Neubaus erinnern Bäumchen daran, dass einst sechs Säulen das Kirchenschiff trugen. Vor dem Hintereingang überbrückt ein Brett eine Lücke im Boden. Nun denn: Die Baupläne hängen im Inneren der Kirche auf Schautafeln. Das bröckelnde Gotteshaus soll nicht nur saniert, sondern um einen Eingangsbau an seiner Rückseite erweitert werden.

Nicht zu protzen, aber auch nicht zu sparen, war schon beim Neubau des Hospitalhofs die Leitlinie. Renninger steht im Erdgeschoss und erklärt architektonische Details, die das barock geschwungene Treppenhaus birgt. Durch Lücken oben in der Fassade fällt Tageslicht, das Spiegel verstärken und bis ins Erdgeschoss leiten. Abends beleuchten Lichtbänder, die auf der Unterseite des Treppengeländers montiert sind, die Stufen, „weil wir festgestellt haben, dass es das ganze Treppenhaus kaputtmachen würde, Lampen hineinzuhängen“, sagt Renninger. Womit die Beleuchtung 16 000 Euro teurer wurde als kalkuliert. Macht bei einem Etat von 23 Millionen eine Kostensteigerung von sieben Promille, aber „die haben wir an anderer Stelle wieder eingespart.“

Es sind an jeder Stelle die Feinheiten, die das grundsätzlich schlichte Haus ausmachen. „Die Architekten sagen, Architektur muss dem Menschen dienen“, erzählt Renninger. Was damit gemeint ist, symbolisieren beispielhaft zwei Löcher in den Sitzflächen schwarzer Hocker. Die Löcher sind gedacht, um Mittelfinger und Daumen in sie hineinzuschieben, auf dass jeder die Hocker für einen Plausch in irgendeine Ecke im oder vor dem Haus tragen kann. Abseits seiner Betriebsamkeit soll der Hospitalhof auch ein Ort der Ruhe sein, in den jeder eingeladen ist, einen Kaffee oder eine Mittagspause lang vom Alltag auszuspannen. „Das geschieht auch regelmäßig“, sagt Renninger.

Nur ihr scheint die Entspannung nicht gelingen zu wollen. Jedenfalls nicht, solange noch Teile der Technik streiken und Zusatzarbeit erzwingen, weil Veranstaltungen von einem Saal in den anderen verschoben werden müssen. „Ich habe mir sagen lassen, ein halbes Jahr ist normal, bis alles funktioniert“, sagt Renninger. Sofern der Satz gilt, ist auch für sie die Entspannung nah. Das halbe Jahr seit der Eröffnung war im Oktober verstrichen.