Hinter der Kulisse der Einweihungsfeier umgibt den neuen Hospitalplatz ein Fetzen Werden und Vergehen. Zum Star des Platzes wird ein blauer Stuhl.

Im Grunde ist nur ein Platz vom Auto befreit, aufpoliert, dem Stadtleben und den Menschen zurückgegeben worden. Was keine Besonderheit ist in der deutschen Großstadt des 21. Jahhunderts. Diesmal war es der Hospitalplatz. Das dazugehörige Straßenfest war eher familiär als rauschend. Hinter der Kulisse aus Bier, Bockwurst und Rednerbühne verbarg sich aber ein Fetzen „Spannungsfeld des Lebenskreislaufes – Werden und Vergehen“.

 

Das Zitat drängt sich auf, denn es dient als Schlagzeile zur Kunstinstallation, die derzeit in der Hospitalkirche zu sehen ist. Unübersehbares Zeichen der Vergänglichkeit wie des Wiederbeginns ist ein Durchbruch in der Kirchenwand hinaus auf den Hof. Der war bis zum Bombardement des Kriegs Teil des wesentlich größeren Gotteshauses. Und demnächst beginnt die Sanierung der Kirche, die neben dem neuen Hospitalhof und umzingelt von erneuerten Straßen so alt aussieht, wie sie ist – wie eine letztere Erinnerung an Vergangenes.

„Dass ich das noch erleben darf“

Der ranghöchste Festredner war der Baubürgermeister Matthias Hahn. Seine Ansprache begann er mit einem Stoßseufzer: „Dass ich das noch erleben darf.“ 1996 kam Hahn ins Amt. Eine seiner ersten Besprechungen war eine darüber, wie das Hospitalviertel vom Auto befreit und mit Flanierwegen durchzogen werden könnte. Wäre Stuttgart nicht Schauplatz des Kirchentags gewesen, „stünden wir heute auch nicht hier“, sagte er, „der Terminzwang war ein Geschenk des Himmels“.

Der Satz war einer der letzten, den Hahn in Amtsfunktion vor Publikum sprach. Am Mittwoch wird er im Rathaus in den Ruhestand verabschiedet. Beim Fest bekam er eine Abschiedstorte überreicht. Die weitere „Domestizierung der Stadtautobahnen“, wie er es nennt, muss er seinem Nachfolger überlassen.

Gymnasium- und Hohe Straße sind noch Baustelle. Sind die Arbeiten auf ihnen beendet, stellt sich aus amtlicher Sicht auch die Frage nach dem Ende des Forums Hospitalviertel. Ohne den Bürgerverein würde das Quartier nicht aussehen, wie es aussieht. Zuoberst entstammt die Idee seinem Kreis, den Hospitalplatz zur Fußgängerzone zu erklären. Die Arbeit des Forums ist hoch gelobt und von der Stadt bezuschusst. Sie gilt ungeachtet dessen in Zukunft als überflüssig. Denn gegründet wurde der Verein eben zum Zweck der Quartierssanierung.

Mit Müh’ und Not war es schon im vergangenen Jahr gelungen, einen Topf für die weitere Förderung zu finden. Aber auch der ist alsbald leer. Sofern der Gemeinderat sich nicht für eine Dauerförderung entscheidet, wird auch das Forum bald zur vielfältigen Geschichte des Hospitalviertels gehören. Zumindest die Vereinsverantwortlichen scheinen zuversichtlich. Beim Festakt haben sie eine druckfrische Broschüre verteilt – über ihre Zukunftsprojekte.

Ein Stuhl wird zum Star

Wer in Stuttgart Stühle auf einen Platz stellen will, muss einen langen Amtsweg wandern. An dessen Ende stand die Erkenntnis: Sollten Bösartige mit Stühlen Autos bewerfen, trifft die Schuld daran die Werfer, nicht die Stadt. Was der Versicherung wegen wichtig war. Unter anderem wegen dieses Problems werden die „Wanderstuhl“ genannten Sitzgelegenheiten erst im September auf dem neuen Hospitalplatz verteilt. Den Anwohnern dort schienen die üblichen Drahtbänke zu schnöde.

Die Stühle sind gespendet worden. Keiner ist wie der andere. Allesamt werden in sozialen Einrichtungen aufgearbeitet und blau beschichtet. Sie dürfen und sollen umhergetragen und sogar mitgenommen werden. Das Konzept haben Studenten erarbeitet. Es ist hoch gelobt und viel bestaunt. Letzteres, weil kaum jemand das amtliche Einverständnis für möglich hielt. Nebenbei hat das Projekt einen schnöden Vorteil: Billiger sind in Stuttgart nie Sitzgelegenheiten geschaffen worden.