Der Pfarrer Eberhard Schwarz hat Besucher auf einen Rundgang durchs Hospital mitgenommen – und berichtete über ein Quartier im Spannungsfeld der Gentrifizierung.

Stuttgart - Genau 160 Stufen führen hinauf zum höchsten Punkt im Hospitalviertel. Vom Kirchturm der Hospitalkirche hat man einen guten Rundumblick auf das gesamte Viertel. Hier oben beginnt Gemeindepfarrer Eberhard Schwarz mit seiner Führung „Im Himmel und auf Erden“, auf der er am Mittwochabend das Viertel aus zwei Perspektiven vorstellte. Viele Jahre ein vergessener Stadtteil, rücken die Straßenzüge zwischen Innenstadt und Liederhalle Dank zahlreicher Sanierungsarbeiten wieder ins Bewusstsein zurück. Aber: „Auch im Hospitalviertel gibt es ein Oben und Unten“, sagt Schwarz.

 

Oben, 58 Meter über dem Boden, sieht man in die Innenhöfe. „Die waren wichtig für das alltägliche Leben im 19. Jahrhundert“, sagt Schwarz. Darin stehen kleinere, nicht sanierte Häuser. Es fällt auch noch etwas anders auf: Das Viertel verändert sein Gesicht. Neben einem Gebäude aus den 50er Jahren mit seinen kleinteiligen Wohnungen steht ein saniertes Haus mit modernen, großzügigen Appartements. „Es gibt Lofts, die sich Normalsterbliche nicht leisten können“, sagt Schwarz. Alternativ geht es derweil auf dem Dach des Rupert-Mayer-Haus, einem katholischen Studentenwohnheim, zu. Ein paar Studenten chillen in der Abendsonne.

Hospitalstraße wird zu einem Platz umgebaut

Zurück auf dem Boden. Die Hospitalstraße wird zu einem Platz umgebaut. „Es soll ein Platz für alle Menschen werden“, sagt Schwarz, der auch Vorsitzender des Vereins Forum Hospitalviertel ist. Die Eröffnung ist am 23. Juli. Unter der Hospitalstraße befindet sich der Friedhof des ehemaligen Klosters. Bei den Umbauarbeiten habe man Sorgen gehabt, dass sterbliche Überreste zum Vorschein kommen. „Es war eine Frage der Pietät“, so der Pfarrer. Doch stattdessen stießen die Arbeiter auf alte Straßenbahnschienen.

Immer mehr Leute ziehen in das Viertel. Schwarz befürchtet, dass die Immobilienpreise steigen und sich die alteingesessenen Bewohner die Mieten nicht mehr leisten könnten. „Das wäre ganz fatal für das Viertel“, warnt er. Denn das Hospitalviertel lebe von seiner Vielfältigkeit. Schwarz schaut rüber zur Wärmestube für Obdachlose. Viele soziale Beratungs- und Serviceangebote der Kirchen und der Stadt sind dort zu finden. „Wir brauchen auch einen Platz für benachteiligte Menschen.“ Weiter zur Ecke Leuschner-/Fritz-Elsas-Straße. Außer einem Frisör und einer Dönerbude sieht man – nichts. „Wie kann man aus einer tristen Straßensituation einen bedeutenden Gedenkort machen?“, fragt Schwarz. Immerhin tagte an dieser Stelle 1849 die aus Frankfurt geflüchtete Nationalversammlung der Paulskirche zum letzten Mal. „Das hier ist ein Gedenkort für die Demokratiegeschichte.“ Letzte Station ist die Dachterrasse des Hotel Wartburg. Träger des Hotels ist der Verein Evangelische Wohnheime, ein Teil der Einnahmen des Hotels fließt in soziale Projekte.

Ein reiches spirituelles Leben

„Das Viertel hat ein reiches spirituelles Leben“, sagt Schwarz. Das begrünte Dach schräg gegenüber ist das vom St.-Agnes-Gymnasium mit dem Franziskanerinnen- Konvent. Einmal umdrehen, dann sieht man die Synagoge mit dem goldenen Davidstern auf dem Dach. Nebenan bügelt ein Mann im der Abendsonne seine Hemden und hört dabei Musik über Kopfhörer. „Das Hospitalhofviertel ist eben ein ganz besonders Viertel“, sagt Schwarz.