Mit einem Schulprojekt haben Ditzinger Gymnasiasten das stationäre Hospiz in Leonberg unterstützt, das auch Kinder und Jugendliche am Lebensende begleitet. In Ditzingen und Korntal-Münchingen suchen ambulante Dienste Mitstreiter.

Ditzingen - Die ambulanten Hospizgruppen von Ditzingen und Korntal-Münchingen eint manches: sie sind einer Idee verpflichtet, leben danach seit rund zwei Jahrzehnten – und suchen Mitstreiter. Sie haben dies in den vergangenen Monaten auf unterschiedliche Weise getan.

 

Die Ditzinger haben ihr 20-jähriges Bestehen mit einer Festveranstaltung im Bürgersaal des Rathauses gefeiert. Die Korntal-Münchinger wiederum haben eine Broschüre publiziert, in der sie sachlich darüber informieren, wie man den Sterbenden begleiten kann, wie man den nahenden Tod erkennt und was die Tätigkeit für den ehrenamtlichen bedeutet.

Mitstreiter gesucht

Der Verein Füreinander-Miteinander hat die Broschüre ermöglicht. Ein wesentlicher Gedanke dabei sei auch gewesen, „dass wir uns mehr in der Öffentlichkeit präsentieren wollen und müssen“, sagt Luitgard Schlageter-Langsch. Die Einsatzleiterin nimmt wahr, dass die Angehörigen aus Angst und Unsicherheit im Zweifel eher ihrer Angehörigen ins Krankenhaus bringen lassen. Allerdings soll die Broschüre auch neue potenzielle Begleiter ansprechen: „Es wäre schön, wenn eine neue Generation nachkäme“, sagt sie.

Zu den Ditzingern ist unlängst ein neuer Ehrenamtlicher hinzugestoßen. Sie seien zunehmend gefragt, im Schnitt seien es 13 bis 19 Einsätze pro Jahr, sagt Christa Wassermann. Dennoch merken sie ebenso wie die Korntal-Münchinger immer wieder auch Zurückhaltung: Wer will in den intimsten Stunden Fremde ins Haus lassen? Am Lebensende eines Menschen noch eine Beziehung zu ihm wie zu den Angehörigen aufbauen zu können – diesen Wunsch formulieren die Ditzinger wie die Korntal-Münchinger.

Ein anderes Wort öffnet manchmal Türen

Dass das Wort Hospiz abschreckend wirken kann, weiß Sabine Horn, die Geschäftsstellenleiterin der ökumenischen Hospizinitiative im Kreis Ludwigsburg. Den Tod will nicht jeder wahrhaben. Sie verwendet stattdessen ein Wort lateinischen Ursprungs: Herberge. Dies habe schon manche Unterstützung zulassen können. Aber sie sagt auch: „Ich habe Respekt vor jeder Entscheidung.“ Die Konstellation in der Familie sei sehr individuell. Letztlich sei es eine Einzelfallentscheidung. Jede könne ermöglichen, „dass es zu einem guten Ende kommen kann“.

Vergangenes Jahr waren es 760 Einsätze für die Hospizinitiative im Kreis, im Jahr zuvor 115 weniger. Die Ehrenamtlichen begleiteten 117 Sterbende zwischen 19 und 101 Jahren – 19 mehr als im Jahr zuvor. Horn begründet die Steigerung mit zwei Aspekten. Einerseits sei die Generation, die heute in die Situation komme, Mutter oder Vater im letzten Lebensabschnitt zu begleiten, gut informiert. Aber auch manche gesellschaftliche Diskussion fördert offenbar die Bereitschaft, sich mit dem Thema, das im Alltag gerne verdrängt wird, auseinander zu setzen. Horn nennt als Beispiel die Debatte über die Hilfe zum Suizid bei Todkranken. Der Bundestag hat die geschäftsmäßige Hilfe dazu unter Strafe gestellt.


Nachgefragt

Der Gymnasiallehrer Florian Lämmle ist bei dem Ditzinger Projekt Glemstown einer der drei Lehrer im Organisationsteam gewesen. Er
freut sich über die Entscheidung der Schüler, den Gewinn an das stationäre Hospiz in Leonberg zu spenden.

So erfolgreich der Staat in der Ditzinger Glemsaue gewirtschaftet hat – als Beispiel für echte Staatenlenker und Rathauschefs tauge das Projekt doch nicht, meint Florian Lämmle. Er ist Lehrer für Mathematik, Chemie sowie Naturwissenschaften und Technik.

Glemstown hat außergewöhnlich erfolgreich gewirtschaftet. Was könnte sich der Oberbürgermeister Michael Makurath dort abschauen, um seine Stadt voranzubringen?
Scheinbar braucht man 700 Schüler und 70 Lehrer, die für zehn 10 Ditcoin in der Stunde arbeiten – also ganz viel Ehrenamt. Das entspricht einem Euro. Es wäre dann aber schwer, die Miete zu bezahlen.
Ernsthaft: 3000 Euro sind eine stolze Summe. Waren Sie überrascht, dass die Schüler so viel spenden würden?
Die Schüler des Organisationsteams haben mehr als ein Jahr gearbeitet, damit das Projekt gelingen konnte und dabei auch einige Hürden genommen. Die Geldspende zeigt klar, wofür diese Schüler stehen – sie möchten der Gemeinschaft etwas Gutes tun. Damit ist die Schulgemeinschaft gemeint, denn ein Teil des Gewinns geht in einen Topf, der für schulische Projekte wie dem Kulturabend zur Verfügung steht.
Woher stammen die Einnahmen?
Zu einem nicht geringen Teil von Eltern und Verwandten der Schüler, die den Staat besucht und dort Crepes, Wollsocken oder die Schülerzeitung gekauft haben. Somit ist es nur fair, wenn wir den Menschen in der Region einen Teil zurückgeben und die Spende einer nahen Einrichtung zukommen lassen. Außerdem wollten die Schüler etwas für andere Ehrenamtliche tun. Das Hospiz mit seinen vielen freiwilligen Helfern ist daher ein perfekter Empfänger.
Was gefiel den rund 1000 Gästen besonders? Die Wanne ist ja keine Touristenattraktion.
Besser die Wanne ist mit Gästen überfüllt, als mit Wasser. Es ist schön, wenn Menschen kommen, um zu sehen, was unsere Schule ausmacht – dass nämlich alle, Schüler und Lehrer, an einem Strang ziehen, um so ein Projekt auf die Beine zu stellen. Und es war bei dem, was herausgekommen ist, für jeden etwas dabei. Kulinarische Köstlichkeiten von fast allen Weltteilen oder die handwerklichen Erzeugnisse der Betriebe, von Batik bis Fahrradreparatur. Vielleicht hat auch der Staatsakt mit einer öffentlichen Parlamentssitzung etwa mit dem Thema „Rente ab 16“ angezogen. Was viele vereint hat, war die Frage: Wie sieht ein Staat aus, wenn Kinder und Jugendliche das Sagen haben? Eines ist klar: Sehr sozial! Auch bei uns gab es einen Mindestlohn. Die Mitarbeiter der Geschirrspül-Akademie haben sogar eine Zulage bekommen.
Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Die Bilanz ist Erfolg und Verpflichtung zugleich. Gibt es bereits Pläne für die Schule als Staat?
Klar, es wird wieder ein Projekt geben, konkret gibt es aber noch keine Planungen. Bisher hat sich ein zeitlicher Abstand von etwa fünf Jahren bewährt. Zu oft wollen wir das auch nicht machen, sonst ist es nichts Besonderes mehr.