Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Müllheim - Viel Geschichte kann zu viel Ballast sein. Das erlebt so manches Luxushotel mit großer Tradition, sei es das Grandhotel Römerbad in Badenweiler oder das Hotel Bühlerhöhe im Nordschwarzwald. Heinrich Mack hat mit der „Alten Post“ im Müllheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) ganz bewusst ein „Haus mit hohem historischen Stellenwert“ gesucht, als er Mitte der 1980er Jahre aus einem Basler Großhotel aussteigen und sich in der badischen Heimat selbständig machen wollte. Der 1954 im Kurort Todtmoos (Landkreis Waldshut) geborene Schwarzwälder hatte sich in das Anwesen an der Bundesstraße B3 vor den Toren der größten Stadt im Markgräflerland regelrecht verliebt und hat das historische Kleinod über die letzten 30 Jahre beherzt und behutsam in die Gegenwart geleitet. Ein Selbstläufer war das nicht, denn Mack hatte 1986 kein Eigenkapital vorzuweisen, die örtlichen Banken ließen ihn kühl abblitzen. Um das Haus wieder zur Blüte zu führen, brauchte es viel Geld, aber auch ein besonderes Konzept. Einem 32-jährigen Koch und Hotelmanager traute das erst eine Freiburger Bank zu.

 

Mack hat sich der Geschichte des Hauses gestellt und bei den Renovierungen sogar ganz Altes - Mauern und Weinkeller – wieder sichtbar gemacht. Gebaut wurde das Anwesen 1745 mit Steinen des im 30-jährigen Krieg zerstörten Zisterzienserklosters Rheintal. Aus der Poststelle wurde eine wichtige Station der Thurn und Taxischen Reichspost auf der Nord-Süd-Route. Auch Johann Wolfgang Goethe, noch nicht geadelt, nahm dort Quartier auf seiner zweiten Italienreise. Ein anderer Gast, der alemannische Dichter und Kirchenrat Johann Peter Hebel – den Goethe bewunderte – machte den Ort unsterblich, indem er den dort ausgeschenkten Wein über alle Maßen lobte: „Z Mülle an der Poscht – tuusigsappermoscht! Trinkt me nit e guete Wii? Goht er nit wie Baumöl ii?“ So lautet eine Strophe im Gedicht „Der Schwarzwälder im Breisgau“. Bekannter ist der Vers über Freiburg: „Z Friiburg in der Stadt – suufer isch’s un glatt“. Wobei mit „glatt“ lustig“ gemeint ist.

Weniger lustig ging es in Müllheim während der Badischen Revolution zu. Der Revolutionär Gustav Struve zog am 23. September 1848 an der Alten Post vorbei, tags darauf wurde seine eilig zusammengetrommeltes Freischar in Staufen vom Militär auseinandergetrieben. Die Alte Post war Schauplatz hitziger Debatten und 1849 von Versammlungen meuternder Regierungssoldaten. Danach saßen wieder die Honoratioren am Stammtisch, die großherzogliche Amtsstadt im Markgräflerland wurde mit dem Ausbau der Eisenbahn auch auf der Schiene zu einem Knotenpunkt des Verkehrs, als Garnisonsstadt auch in Kriegszeiten. Die Posthalterei und das Wirtshaus wurden geschlossen, die Gebäude anderweitig genutzt.

Mit dem Siegeszug des Automobils wurde der Haltepunkt an der Bundesstraße 3 zwischen Freiburg und Basel 1955 wiederentdeckt, eine Frankfurter Hotelgesellschaft betrieb in der Alten Post ein Motel, das jedoch seine Bedeutung verlor, als die Rheintalautobahn A3 eingeweiht wurde. Zwischenstopps von Italien-Reisenden in einem Etappenhotel weitab von der Route hörten auf, der Glanz vergangener Zeiten verblasste. Es sei nicht im besten Zustand gewesen, erinnert sich Heiner Mack. Er ließ sich dennoch nicht davon abhalten, das Haus 1986 zu übernehmen und etwas anderes zu gründen als das, was er als Angestellter in der Systemgastronomie machen musste. Familiär ist er vorbelastet, er wuchs im kleinen Hotel seines Vaters in Todtmoos im Landkreis Waldshut auf. „Gute Lebensmittel für die Küche, wo immer es geht biologisch“, wollte Mack von Anfang an und das war in den 80er Jahren noch etwas Neues. Ökologisch und nachhaltig sollte auch das Interieur werden. „Ich bin immer auf der Suche nach dem Schönen und Guten“, bekennt der Liebhaber von Holz und maßgefertigten Möbeln. So kaufte er für sein Hotel einen 150 Jahre alten Parkettboden von einer Freiburger Schule. 1991 wurde die Alte Post Deutschlands erstes „Umwelthotel“, längst ist das europäische Ökosiegel „Green Brands“ dazugekommen, Empfehlungen bis hin zu einem Vermerk im Guide Michelin ebenfalls.

„Nichts ist Standard, wir kaufen nichts von der Stange, alles wird gefertigt“ ergänzt Macks Ehefrau Uschi (58). Sie ist vor 15 Jahren als Gast in die Hebelstube der Alten Post gekommen und verliebt wieder hinausgegangen. Zwei Jahre später gab sie ihre Stelle im Vertrieb eines Freiburger Brillenglasherstellers auf und zog zu Heinrich Mack. Das Paar hat seine betriebswirtschaftlichen und hotelfachlichen Kenntnisse vorteilhaft gebündelt und der Alten Post den Stempel einer soliden, biologischen, umweltfreundlichen, nachhaltig wirtschaftenden Herberge mit geschmackvoll eingerichteten Zimmern und einer bioland-zertifizierten Küche aufgedrückt, 50 Zimmer, 100 Betten, ein Appartement und das Restaurant werden von 40 Mitarbeitern betreut und geführt.