Den Betreibern des Hotels Biberturm in Stuttgart-Feuerbach wurde gekündigt. 2016 will die Caritas dort psychisch kranke Menschen einquartieren und ambulant betreuen lassen.

Feuerbach - Siegfried Wichmann betreibt seit 1998 mit seiner Ehefrau Hedwig und seinem Sohn Stephan das Hotel Feuerbach im Biberturm an der Feuerbacher-Tal-Straße. Gleichzeitig managen der 71-jährige Norddeutsche und die beiden Familienmitglieder seit 2005 das Hotel Domino in Stammheim an der Freihofstraße. 2010 kam noch das Hotel Neuwirtshaus mit dem Restaurant Alte Hofkammer dazu.

 

Das Hotel Feuerbach im Biberturm war ursprünglich ein Appartementhaus, bevor es die Wichmanns im Jahr 2008 zu einem Vier-Sterne-Hotel mit 36 Zimmern umbauen ließen. „Damals haben wir einen Pachtvertrag auf acht Jahre abgeschlossen.“ Der Biberturm wechselte 2004 den Eigentümer. Mitte dieses Jahres veränderten sich die Besitzverhältnisse erneut – und plötzlich war nichts mehr wie es vorher war. Der Pachtvertrag der Wichmanns wurde im September gekündigt. „Um alle Gerüchte gleich im Keim zu ersticken, es gibt keinen finanziellen Grund, das Hotel im Biberturm aufzugeben“, sagt Siegfried Wichmann. Die momentane Situation sei deshalb mehr als ärgerlich: „Ende Dezember müssen wir aus dem Biberturm raus. 24 Mitarbeiter, die hervorragend gearbeitet haben und teilweise bis zu 17 Jahre beschäftigt waren, müssen wir deshalb entlassen. Das macht uns unendlich traurig“, berichtete Wichmann in der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirates Feuerbach.

Kritik aus dem Bezirksbeirat

„Von dem Schock muss ich mich erst einmal erholen“, sagte Bezirksbeiratsmitglied Jochen Heidenwag. Er kritisierte, dass ein privatwirtschaftlicher Betrieb, der „da wunderbar“ hingepasst habe, verdrängt werde. Zumal das Gastgewerbe in Feuerbach ganz gut dasteht: „Die Auslastung der Feuerbacher Hotels liegt bei 80 Prozent“, sagte Heidenwag auf Nachfrage der Nord-Rundschau. Viele Geschäftsleute suchen Übernachtungsmöglichkeiten: „Und das bringt wiederum Kaufkraft nach Feuerbach“, meinte der Sprecher der Feuerbacher Freien Wähler und Vorsitzende des örtlichen Gewerbe- und Handelsvereins. Er habe grundsätzlich nichts gegen die sonstigen Aktivitäten der Caritas in Feuerbach einzuwenden, aber in diesem Fall müsse er den Finger in die Wunde legen. Es überrasche ihn schon, dass ein von der öffentlichen Hand gefördertes Sozialunternehmen möglicherweise eine höhere Pacht zahlen könne als ein Hotelbetreiber. Heinrich Bek (CDU) wollte wissen, wie hoch die Miete sei und mit welchen Zuschüssen die Caritas dieses Projekt finanziere.

Die Mietkosten würden über die Stadt Stuttgart refinanziert, sagte Peter Grau vom Immobilienmanagement des Caritasverbandes für Stuttgart. Über die vertraglich mit dem Biberturm-Eigentümer vereinbarte Miethöhe bewahre er Stillschweigen. Allerdings gebe das Sozialgesetzbuch einen exakt festgelegten Rahmen vor. „Die Miete ist nicht so hoch, wie Sie vermuten. Sie liegt in dem Bereich, den wir auch andernorts zahlen“, sagte Grau zu den Bezirksbeiräten. Gleichzeitig schilderte Klaus Obert, Bereichsleiter der Sucht- und Sozialpsychiatrischen Hilfen bei der Caritas, wie schwierig es sei, für bedürftige Menschen adäquaten Wohnraum zu finden. So schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen, meinte Obert. In dem bisherigen Hotel an der Feuerbacher-Tal-Straße will die Caritas längerfristig etwa 15 bis 17 psychisch kranke Menschen einquartieren, die ambulant betreut werden sollen. Dazu kommen 10 Plätze für Flüchtlinge, weitere 4 Plätze für minderjährige Flüchtlinge, die ohne Erziehungsberechtigte nach Stuttgart kamen. 10 bis 15 Appartements sind als Unterkunft für ehemals wohnsitzlose Bürger vorgesehen. Insgesamt seien etwa 45 Plätze geplant.

Stadt braucht weitere Unterkünfte für Flüchtlinge

Doch die Umsetzung dieses Konzeptes muss zunächst noch warten. Die Stadt braucht dringend weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge und hat sich in dieser Mission an die Caritas gewandt. 75 Flüchtlinge leben bereits in einem Caritas-Objekt an der Paulinenstraße, aber die Stadt sucht weitere Plätze. Ob der Biberturm interimsweise als reine Flüchtlingsunterkunft genutzt werde, stehe noch nicht fest und hänge vom städtischen Bedarf ab, meinte Obert. Andernfalls gebe es auch eine andere Nutzungsalternative. Denn die Caritas sucht fürs kommende Jahr dringend ein Interimsdomizil für die 55 Bewohnerinnen der Frauenpension am Veielbrunnenweg 67 in Bad Cannstatt. Das dortige Gebäude werde 2016 von Grund auf saniert, berichtete Obert.

Was die Caritas als Konzept präsentiere, seien wohl eher vage Vorstellungen und Überlegungen, sagte CDU-Sprecher Dirk Teichmann. Er sei schon sehr erstaunt und höre zum ersten Mal, dass hier möglicherweise eine weitere Flüchtlingsunterkunft entstehen solle. FDP-Sprecherin Gabriele Heise bezeichnete es als „unsäglich, dass ein privater Familienbetrieb einem Sozialunternehmen weichen muss und dadurch Arbeitsplätze vernichtet werden“. Sie fürchtet, dass der bereits eingetretene Trading-Down-Effekt und die Abwärtsspirale im oberen Teil der Stuttgarter Straße verstärkt werden. Zudem hält sie das Belegungskonzept der Caritas für verfehlt: Es sei der falsche Ansatz, wenn minderjährige Flüchtlinge, psychisch Kranke und Wohnsitzlose unter einem Dach betreut würden. „Wie soll das funktionieren?“, fragt sich Heise. Auch Reiner Götz (Grüne) bedauerte, dass der Hotelbetrieb den aktuellen Plänen weichen solle. Ob es Möglichkeiten gebe, die Entscheidung rückgängig zu machen, wollte Roland Saur (SÖS/Die Linke) von den Caritas-Vertretern wissen. „Wir müssen das nehmen, was es gibt“, sagte Grau und verneinte.

Klaus Obert zeigte Verständnis für die Kritik, anderseits fühle er sich verpflichtet, dem betroffenen Personenkreis trotz der komplizierten Situation Wohnraum zu besorgen. Die Mehrheit der Bezirksbeiräte votierte am Ende bei sieben Gegenstimmen und sechs Enthaltungen gegen das Nutzungskonzept der Caritas.