Ende des kommenden Jahres ist Schluss. Bis dahin müssen die Mieter im Hauptbahnhof das Feld geräumt haben. Dann sollen die Entkernung und der Umbau des Bonatz-Baus beginnen.

Stuttgart - Die Kündigung liegt auf dem Tisch. Bis Jahresende 2018 müssen alle Mieter im Hauptbahnhof das Feld räumen. Auch das zur Empfangshalle angrenzende Intercity-Hotel muss raus – die Zukunft nach dem Umbau ist offen.

 

Reinhold Schumacher sieht die Sache mit einem weinenden und einem lachenden Auge. „Nach 17 Jahren ist gut“, sagt der Inhaber des Asia-Art-Ladens, „zum Glück habe ich in Karlsruhe etwas Neues gefunden.“ Ob es im Hauptbahnhof – nach der Entkernung und dem Umbau zu einem Hotel und einer Einkaufsmall – für ihn und andere Mieter weitergeht, weiß man nicht. Es liegen keine Angebote der Bahn vor.

Reisende und Passanten bedauern die Veränderung, die den Einbau eines neuen Viersternehauses der Marke Me and all Hotels mit 153 Zimmern und kleineren Konferenzräumen mit sich bringen soll. Dafür ist ein Glaskubus hinter der Arkade an der Gebäudeseite zur Schillerstraße geplant, wo bisher unter anderem Schließfächer, Läden und im Hintergrund auch Technikräume angesiedelt sind. Rund 100 Millionen Euro will die Bahn AG für ein umfassendes Umbauprogramm im Bahnhof aufwenden. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant.

Hotelinvestoren sind in Goldgräberstimmung

Die Reaktionen reichen von „schade“ über „auch das noch“ bis hin zu „Noch ein Hotel und Einkaufscenter?“. Die letzte Frage greift Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), auf: „Die Bettenkapazitäten sind in Stuttgart und der Region enorm gewachsen. Es ist eine Herausforderung diesen Trend fortzuführen.“ Die Entwicklung der Beherbergungskapazitäten in der Stadt Stuttgart in den vergangenen Jahren veranschaulicht dies: Waren es im Mai 2010 insgesamt 17 189 Betten, davon 15 181 in der Hotellerie, so stieg die Kapazität bis März 2017 auf 20 537 Betten. 18 256 Betten entfielen auf die Hotellerie. Ohl gibt daher zu Bedenken: „Wenn wie 2009 bei der Finanz- und Wirtschaftskrise der Markt der Geschäftsreisenden einbricht, dann steigt das Risiko.“ Doch für den Augenblick herrscht unter den Investoren wohl Goldgräberstimmung. „Wenn sie 50 Millionen Euro haben und in ein Hotel in Stuttgart investieren, können sie nichts falsch machen“, sagt Thomas Pferner.

Er ist Direktor des Intercity-Hotels, das 148 Betten anbietet. „Der Kuchen ist groß genug, ob da noch ein oder zwei Hotels mehr aufmachen, ist kein Problem“, meint er.

Ob das Intercity-Hotel unter der Regie von Steigenberger wieder öffnen wird, ist im Moment nicht sicher. Die Hotelgruppe war von der Bahn auch im Blick auf das neue Hotel ins Auge gefasst worden, aber habe nicht den Zuschlag bekommen, sagt ein Sprecher der Bahn in Stuttgart. Im Übrigen erfülle man alle Auflagen der Denkmalbehörden.

Spiridon Sarantopoulos, Direktor des Steigenberger-Hotels Graf Zeppelin vis-à-vis des Bahnhofs, meint: „Wir sehen Stuttgart als eine Stadt, deren Hotelmarkt großes Potenzial bietet. Die Landeshauptstadt ist ein wichtiger Standort für Wirtschaft und Industrie. Deshalb ist Stuttgart die erste Stadt, in der die Deutsche Hospitality in naher Zukunft mit allen drei Hotelmarken (Steigenberger Hotels and Resorts, Intercityhotel und Jaz) vertreten sein wird. Sowohl das Steigenberger Graf Zeppelin als auch das Intercityhotel Stuttgart können eine ausgezeichnete Auslastung verbuchen. Auch das Jaz, das im September eröffnen wird, erfreut sich bereits großer Nachfrage.“

Stadtverwaltung ist mit Kompromiss zufrieden

Ob ein weiteres Hotel gerechtfertigt ist, ist nur eine Frage. Die andere ist, ob diese Veränderung dem Kulturdenkmal Gewalt antut. Der Bonatz-Enkel (und Architekt) Peter Dübbers hat am Dienstag Protest eingelegt, im Stuttgarter Rathaus teilt man seine Bedenken in der Form aber nicht. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) teilte am Mittwoch trotz Funklöchern vom Urlaubsort an der Nordseeküste mit, die Pläne der Bahn AG seien vor geraumer Zeit im Bezirksbeirat und den Gemeinderatsausschüssen diskutiert worden.

Tatsächlich gab es schon 2015 mehrere Beratungen. Das Stadtplanungsamt, in dem die Untere Denkmalbehörde angesiedelt ist, beurteilte die Planungen dabei als gelungen und erklärte wie ein Bahn-Vertreter, man habe Kompromisse eingehen müssen. Man habe in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz aber versucht, „den neuen zweistöckigen Hotelaufbau stadtbildwirksam zurückzusetzen und mit einer Höhenbeschränkung zu versehen. Die Bahn versicherte, dass die „Aufstockung“ von der Straße aus kaum zu sehen sein werde.