Die Bürgerinitiative um das Hotel Silber und das Haus der Geschichte sollen die Gedenkstätte gemeinsam betreiben – ein bislang einmaliges Experiment. Doch jetzt gibt es Streit darüber, wie viel die Bürgerinitiative mitreden darf.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist bundesweit vielleicht einmalig, dass Bürger so stark mitreden können beim Aufbau einer Gedenkstätte wie die Stuttgarter Bürgerinitiative beim Hotel Silber, der ehemaligen Gestapozentrale an der Dorotheenstraße 10. Zwei Hauptgründe gibt es dafür. Erstens hat die Initiative, in der sich rund zwei Dutzend Vereine zusammengeschlossen haben, maßgeblich dazu beigetragen, dass das Gebäude nicht abgerissen wird. Entsprechend selbstbewusst tritt sie auf. Zweitens hat die grün-rote Landesregierung versprochen, die Bürger stärker in wichtige Vorhaben einzubinden – das Hotel Silber gilt deshalb als Leuchtturmprojekt.

 

Und doch knirscht es nun kräftig im Verhältnis zwischen der Initiative und den Verantwortlichen in Stadt und Land sowie dem Haus der Geschichte, zu dem die geplante Gedenkstätte künftig als Zweigstelle gehören soll. Letztlich geht es dabei um den Grad des Einflusses der Initiative. So möchten Stadt und Land, die jährlich 650 000 Euro in das Hotel Silber investieren wollen, im entscheidenden Verwaltungsrat je zwei Stimmen haben, die Initiative soll nur eine erhalten, ganz nach dem Motto: Wer zahlt, bestimmt. Das lehnt der Verein ab. Daneben erhält der Verein, da es an Räumen fehlt, nach derzeitigem Stand kein Büro im Hotel Silber; die Initiative will aber eigenverantwortlich Seminare und Veranstaltungen anbieten: „Wir brauchen einen eigenen Schlüssel“, so Elke Banabak, die zweite Vorsitzende des Vereins.

Auch über historische Bewertungen ist man sich nicht einig

Auch bei der Konzeption der Ausstellung ist man sich in manchen Fragen nicht einig. So sei stark umstritten, wie die Rolle der Polizei vor 1933 bewertet werden soll. „Wir haben das Gefühl, dass wir an den Katzentisch gedrängt werden und dass das Haus der Geschichte in allen Fragen das letzte Wort haben soll“, sagt Elke Banabak. Zu manchen wichtigen Terminen werde man nicht einmal eingeladen. Umgekehrt hegt man im Haus der Geschichte den Verdacht, dass manche Bewertung politisch und nicht historisch motiviert ist.

Letztendlich geht es also bei dieser Auseinandersetzung darum, wie viel Mitbestimmung eine Initiative erhalten kann, die sich weder finanziell beteiligen noch auf Dauer in die Pflicht genommen werden kann – die jetzigen Akteure sind sehr engagiert, aber niemand weiß, ob das die nächste Generation im Verein auch noch sein wird. Insofern haben sich Initiative wie Politiker in ein spannendes Experiment begeben. Während man aber in den zuständigen Ministerien die Forderungen der Initiative teils als maßlos ansieht, geht dieser die Partizipation nicht weit genug.

Am Verein gibt es Kritik: er spreche nicht mit einer Stimme

Thomas Schnabel weist für das Haus der Geschichte die Kritik jedenfalls zurück. Er hat sich umgekehrt sehr geärgert darüber, dass die Initiative von einer „Funkstille“ zwischen dem Haus der Geschichte und ihr gesprochen hat. „Das ist objektiv Quatsch“, meint er. Es habe in diesem Jahr allein elf mehrstündige Besprechungen zum Ausstellungskonzept gegeben. Daneben bestehe reger Telefon- und E-Mail-Verkehr. Die Initiative sei in allen Gremien vertreten, vom Runden Tisch bis zum Programmbeirat. Elke Banabak betont, der Begriff „Funkstille“ stamme nicht von ihnen. Schnabel stört sich aber auch daran, dass manchmal ein Konsens aufgekündigt werde, weil die 23 Gruppen im Verein nicht mit einer Stimme sprächen; das mache die Zusammenarbeit mühsam. Und er sehe weiter nicht ein, dass er den Verein zu einer normalen Jahrespressekonferenz einladen müsse – er erwarte auch nicht, zu allen Versammlungen der Initiative gebeten zu werden. Letztlich müsse sich, so ist auch aus der Politik zu hören, die Initiative irgendwann entscheiden, ob sie Mitträger des Hotels Silber werde oder außerparlamentarische Opposition bleiben wolle.

Dass das Experiment noch scheitert, glaubt Thomas Schnabel aber nicht. Man sei auf einem guten Weg, die Atmosphäre in den Gesprächen sei sachlich. Das sieht auch Elke Banabak so: „Unsere Kritik richtet sich gar nicht so sehr an das Haus der Geschichte. Es knirscht vielmehr im System.“