Die Hotelbranche verzeichnet das siebte Rekordjahr in Folge, der Markt floriert in Deutschland. Besonders beliebt sind Low-Budget-Häuser wie das neue Moxy auf den Fildern, die schickes Design zum günstigen Preis bieten.

Stuttgart - Die klassische Rezeption mit hohem Tresen und Klingel war gestern. Auch Schrank und Minibar haben ausgedient. Die Betten macht keiner, und wer nachts noch Hunger hat, der muss entweder außer Haus nach einem Imbiss suchen oder sich mit einem Müsliriegel aus dem Automaten begnügen.

 

In sogenannten Low-Budget-Hotels, zu denen auch das in dieser Woche neu eröffnete Moxy in Leinfelden-Echterdingen gehört, ist alles etwas anders, als man es aus den klassischen Hotels kennt. Die Lobby des 176-Zimmer-Hauses gleicht dem Loft-Wohnzimmer eines urbanen Hipsters mit bodentiefen Fenstern, einem großen, langen Tisch, ausladendem Sofa und schicken Sesseln. Eingecheckt wird an der Bar, und die Mitarbeiter sind Teil der „Crew“, an deren Spitze kein Hoteldirektor im feinen Zwirn, sondern ein „Captain“ steht, der im legeren T-Shirt-Outfit kaum von seinen Gästen zu unterscheiden ist. Auf die übliche Distanz zwischen Personal und Kundschaft legt das Moxy wenig Wert. Die Mitarbeiter seien „jederzeit ansprechbar“, heißt es, selbst während ihrer idealerweise in der Lobby verbrachten Mittagspause. So vermischt sich Beruf und Privates bei Moxy. Mit der starren Trennung nimmt es auch das junge Publikum, dem laut Moxy-Capitän „schnelles WLAN wichtiger als Schrank und Minibar sind“, nicht so genau. Dafür stimmt der Preis: 70 Euro fürs Doppelzimmer, Frühstück kostet zwölf Euro extra.

Weniger Komfort und Service bei Budget-Hotels

Das neue Moxy wie auch viele andere Designhotels wollen beweisen, dass sich ein schickes Ambiente, ein moderater Preis sowie eine verkehrsgünstige Lage nicht ausschließen müssen. Mit Erfolg: In den vergangenen Jahren hat die Zahl dieser Art von Unterkünften enorm zugelegt. Und sie werde weiter wachsen, prognostiziert der Hotelverband Deutschland. Inzwischen eröffnen solche Budget-Häuser wie etwa die Explorer-Kette auch in kleineren Städten und Ferienregionen. Das Konzept ist bei allen ähnlich und lautet: weniger Komfort, weniger Service und weniger Extras. Einen Spa-Bereich oder gar ein Schwimmbad – auf solche im Unterhalt teuren Angebote muss der Gast verzichten, ebenso wie auf ein Restaurant oder den Zimmerservice. Das senkt die Betriebskosten, zudem können die Flächen stattdessen für die nur mit 16 bis 18 Quadratmeter großen, weil schrankfreie Zimmer genutzt werden. Sie gelten ohnehin nur als Schlafort, gelebt wird in den großzügigen Lobbys.

Der Erfolg der durchgestylten Herbergen hat dazu geführt, dass auch im Luxussegment verortete Hotelketten auf diesen Markt drängen wie der amerikanische Konzern Marriott, zu dem Moxy gehört, oder Hilton mit seiner Marke Hampton by Hilton. Sie sind auf den Designzug aufgesprungen, den die deutsche Motel-One-Kette Anfang der 2000er Jahre mit ihrem Konzept der edlen Leuchten, Marmorbäder und Flachbildschirme auf die Schienen setzte. Motel One, Betreiber von inzwischen 55 Häusern in Deutschland und Europa, sei es gelungen, aus einem „günstigen Produkt ein sexy Produkt“ zu machen, analysiert Tobias Warnecke vom Hotelverband Deutschland.

Ein Hotelzimmer kostet durchschnittlich 92 Euro

Doch auch Mittelklasse- und Luxushotels haben großes Anziehungspotenzial. Das Hotelgewerbe frohlockt über das siebte Rekordjahr in Folge. Mit knapp 280 Millionen Übernachtungen hat die Branche 2016 einen neuen Spitzenwert erreicht. Neben der guten Wirtschaftslage trägt dazu auch der stetig wachsende Deutschland-Tourismus bei, der Jahr für Jahr mehr Touristen ins Land bringt. Dazu kommen viele Messe- und Kongressbesucher. „Deutschland gilt als sicher und bietet zudem ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis“, benennt Warnecke weitere Gründe für die gute Lage der Branche. Mit durchschnittlich 92 Euro zahlen Besucher für ein deutsches Doppelzimmer weniger als in vielen anderen europäischen Ländern. In Großbritannien liegt der Vergleichswert bei 119 Euro, in Italien bei 108 und in den Niederlanden bei 109 Euro. Da wundert es kaum, dass deutsche Hotelbetten auch besser ausgelastet sind als im europäischen Durchschnitt.

Die Konkurrenz durch Anbieterplattformen wie Airbnb und Wimdu spürt die Branche dennoch. Während Hotels hohe Sicherheits- und Hygienestandards einhalten müssen, gebe es für Gastgeber privater Kurzzeitvermietungen kaum Vorschriften, kritisiert Warnecke. Der Europäische Hotelverband fordert daher Maßnahmen zur Reglementierung und Registrierung privater Gastgeber.

Für Investoren sind Hotels reizvolle Anlageobjekte. Ganz im Gegensatz zu früher, als man die Suche nach einem ordentlichen Betreiber scheute und das Risiko fürchtete, Etagen voller Schlaf-Badezimmer-Einheiten mit hohem Aufwand in Büros umwandeln zu müssen. In Zeiten niedriger Zinsen gelten Hotels heute dagegen als lohnende Geldanlage, was sich auch an der Börse zeigt. 2016 legte der Hotelaktienindex IHA um 24 Prozent zu, fast parallel zum Deutschen Aktienindex. Vor allem die Budget-Unterkünfte gelten als besonders rentabel, weil sie teuren großstädtischen Baugrund optimal ausnutzen und leichter zu betreiben sind als Sternehäuser. Investoren freuen sich über Renditen zwischen „zehn und zwölf Prozent“, so Andreas Ehwald, Geschäftsführer der Hotel Consulting bei Engel & Völkers. Als besonders profitabel bewertet Ehwald München, Stuttgart und Hamburg, weil dort die Zimmer besonders gut ausgelastet sind. Unter der Woche logieren Geschäftsreisende, am Wochenende Touristen. Kein Wunder also, dass die meisten Hotelneubauprojekte zurzeit in Bayern und Baden-Württemberg entstehen.

Das Nachsehen haben Familienbetriebe

Der Trend geht dabei zu Häusern mit immer höherer Bettenzahl, 100 Zimmer gelten als Mindestgrenze, um ein Haus rentabel zu betreiben. Das Nachsehen haben in diesem Verdrängungswettbewerb Familienbetriebe. Mit Betriebsgrößen von meist nur 20 Zimmern fehlt oft das Kapital für notwendige Investitionen. Zudem mangelt es an Nachfolgern. Wer bestehen will, muss sich was einfallen lassen. Warneke: „Wichtig ist, die Gäste persönlich anzusprechen.“