Zuwanderer könnten laut dem Branchenverband Dehoga dazu beitragen, den Fachkräftemangel in baden-württembergischen Hotels und Gastronomiebetrieben zu lindern. Dazu müssten aber gesetzliche Hürden abgebaut werden.

Stuttgart - Die Hotel- und Gaststättenbranche im Land blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2015 zurück und profitiert vor allem von der gestiegenen Zahl der Übernachtungsgäste. Zum ersten Mal durchbrach die Zahl (inklusive Campingplätze und Ferienwohnungen) im vergangenen Jahr die Marke von 50 Millionen, sie stieg um 3,3 Prozent auf 50,8 Millionen. Die Hotels und Gasthäuser in Baden-Württemberg verzeichneten ein Plus von vier Prozent auf 33,3 Millionen Übernachtungen. Besonders stark legte die Zahl der ausländischen Gäste zu; sie stieg um 7,5 Prozent auf 9,1 Millionen. Das spreche „für die Qualität des Urlaubslandes Baden-Württemberg“, sagte Dehoga-Präsident Fritz Engelhardt am Dienstag bei der Jahrespressekonferenz des Branchenverbandes.

 

Der Umsatz im Gastgewerbe ist bedingt durch die gute konjunkturelle Lage 2015 um 2,2 Prozent gestiegen. Auf die Beherbergungsbetriebe entfiel ein Zuwachs von 2,0 Prozent, in der Gastronomie betrug das Plus sogar 2,3 Prozent. Insgesamt erwirtschafteten die 31 000 Betriebe in Baden-Württemberg mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz. Zur Ertragslage machte Engelhardt keine Angaben. Für 2016 rechnet der Verbandschef mit einer anhaltend guten Gästenachfrage.

Der vor gut einem Jahr eingeführte Mindestlohn belaste die Unternehmen in der Branche erheblich, so Engelhardt. In einer Umfrage unter 1500 Betrieben im Land beklagten rund zwei Drittel Ertragseinbußen aufgrund von gestiegenen Personal- und Lieferantenkosten. Fast die Hälfte der Befragten gab an, die Preise erhöht zu haben. Mehr als die Hälfte haben Probleme, die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten, und rund die Hälfte hat deshalb bereits ihre Öffnungszeiten reduziert.

Dehoga fordert Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden

Engelhardt forderte „eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Lebenswirklichkeit“. Dabei gehe es nicht um längere Arbeitszeiten, sondern um mehr Flexibilität. Bis jetzt gilt in Deutschland eine maximale  Tagesarbeitszeit von zehn Stunden. Der Dehoga fordert dagegen die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden, die im Einklang mit der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie stehe. „Eine Schicht von zwölf Stunden muss möglich sein“, sagte Engelhardt, der in Pfullingen ein Hotel betreibt. Eine Flexibilisierung werde auch von Seiten der Mitarbeiter begrüßt, weil sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstütze, ergänzte Engelhardt.

Trotz des Mindestlohnes ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Branche weiter gestiegen; um 1,8 Prozent auf 124 000. Damit hat sich die Entwicklung der Vorjahre fortgesetzt. Seit 2010 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um ein Viertel gestiegen. Dieses Wachstum war vor allem von ausländischen Arbeitnehmern getragen. Inklusive der geringfügig Beschäftigten, Selbstständigen und unbezahlten Familienangehörigen arbeiten rund 236 000 Menschen in den Hotel- und Gastronomiebetrieben im Land.

Sorgen bereitet dem Verband nach wie vor die Situation am Ausbildungsmarkt. Die Zahl der Lehrlinge ist 2015 um 4,5 Prozent auf 6260 zurückgegangen. Davon entfallen jeweils gut ein Drittel auf die beliebtesten Berufe Hotelfachmann/-frau und Koch/Köchin. Bundesweit gibt es 16 000 unbesetzte Ausbildungsplätze und mehr als 40 000 freie Stellen in der Branche.

Im Land sind mehr als 4300 Stellen unbesetzt

Viele der offenen Stellen – im Land sind es gut 4300 – könnten auch durch Zuwanderer besetzt werden, davon ist Engelhardt überzeugt. „Es gibt eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die auch ohne perfekte Sprachkenntnisse und einschlägige Berufsausbildung für angelernte Kräfte machbar sind“, sagte der Verbandspräsident. Grundsätzlich gelte aber: „Je mehr Deutsch ein Mitarbeiter spricht, desto näher kann er am Kunden eingesetzt werden.“

Um die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu fördern, müsse die Politik schneller beim Abbau von bürokratischen Hürden vorankommen. Zum einen müsse die Vorrangprüfung für Asylbewerber mit realistischer Bleibeperspektive entfallen. Sie sollen sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewegen dürfen wie Deutsche oder EU-Bürger. Zudem sollte es möglich sein, Asylbewerbern anfangs einen geringeren Stundenlohn zu zahlen, wie dies etwa bei Langzeitarbeitslosen üblich sei.

Bei ausländischen Auszubildenden müsse sichergestellt sein, dass sie während der Zeit der Ausbildung und mindestens zwei Jahre danach in Deutschland bleiben dürften. Der Hotel- und Gaststättenverband regt außerdem an, die Liste der sogenannten Mangelberufe der Bundesagentur für Arbeit um die gastgewerblichen Berufe zu erweitern. Gemeint sind Berufe, bei denen die Arbeitskräftenachfrage der Betriebe nicht ausreichend mit inländischen Fachkräften gedeckt werden kann. „Dann könnten Menschen, deren Qualifikation das Gastgewerbe dringend benötigt, auf dem Weg über die Fachkräftezuwanderung statt des Asylverfahrens legal nach Deutschland kommen“, sagte Engelhardt.