So ein Topmanager des organisierten Verbrechens hat es auch nicht leicht. Ständig muss er sich – wie David Blake in Howard Linskeys „Gangland“ – um etwas kümmern, nie kann er es sich in seiner Luxusvilla ein bisschen gemütlich machen. Ein kerniger und ziemlich moralfreier Thriller.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Wir Spießbürger, Steuerzahler und Höchstens-mal-bei-Rot-über-die-Ampel-Geher stellen uns das ganz gewiss viel zu einfach vor: Ein Berufsverbrecher nimmt sich, was er braucht, und hofft halt, dass er dabei nicht gerade erwischt wird. Doch solches Meinen irrt: sehr eindrücklich haben Richard Stark und Garry Disher die täglichen Sorgen und Nöte der Herren auf der anderen Seite geschildert. Und in der – literarisch – gleichen Liga hat auch Howard Linskey den mittlerweile zweiten Thriller über David Blake angesiedelt. Nur mit dem Unterschied, dass es in „Gangland“ nicht um einen Middle-Class-Gangster geht, sondern dass das Wirken des Mannes im Topmanagement angesiedelt ist. Als Pate von Newcastle ist Blake ein sehr mächtiger Mann und kontrolliert die halbe Stadt.

 

Brandgefährliche Kollegen, unsichere Kantonisten

Aber das Verbrechen ist kein Selbstläufer und ein Oberboss kein Schalterbeamter mit Pensionsanspruch und bezahltem Urlaub. Ständig muss Blake sich mit irgendetwas herumschlagen. Mit windigen Großhändlern, mit längst entthronten Pornokönigen, mit brandgefährlichen Kollegen und unsicheren Kantonisten in den eigenen Reihen. So bleibt ihm keine große Freude an seiner thailändischen, von Gurkhas bewachten Luxusvilla, in die er sich aus Sicherheitsgründen mit seiner Freundin immer wieder zurückzieht. Ständig muss er in die britische Heimat, um dort etwas zu regeln.

Zum Alltagsstress mit seinen Hochs und Tiefs – unter anderem hat er seinen Boss und Sozusagen-Schwiegervater auf dem Gewissen und einen Konkurrenten mit der Machete zerhackt – kommt eine besondere Komplikation: irgendjemand trachtet ihm und seinen engsten Vertrauten nach dem Leben. Nicht nur einmal kommt Blake ganz knapp davon (auch das eine Parallele zu Dennis Lehanes hochgelobtem Mafiaepos „In der Nacht“ – nur für den Fall, dass ein Referenzstück gewünscht wird).

Abstecher ins andeutungsweise Rührselige

Am Ende obsiegt zwar das Böse über das nach Bösere, aber auch Blake hat Federn lassen müssen. Immerhin gönnt ihm Linskey einen kleinen, hoffnungsvollen Abstecher ins andeutungsweise Rührselige. Sei es drum. So etwas nimmt man bei einem hochspannenden Thriller, der nicht nur von der straff erzählten Geschichte lebt, sondern auch von gelegentlichen Perspektivwechseln, gerne in Kauf.

PS.: Auf eine Stelle der Hochkomik sei in diesem Zusammenhang verwiesen (auch wenn wir die Pointe natürlich nicht verraten): der abgewrackte Pornokönig Peter Dean antichambriert bei Blake, um Geld für ein schmuddeliges Internet-Projekt zu akquirieren. Ausgehend von der Analogie „Youtube–Youporn“ hat er sich da einen ganz besonderen Namen ausgedacht – und steht fassungslos vor der Heiterkeit, die sein Baby bei Blake und den Männern auslöst.

Howard Linskey: „Gangland“. Roman. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Knaur TB, 416 Seiten, 9,99 Euro. Zum selben Preis auch als E-Book. Als Hörbuch-Download ca. 19 Euro.