Frank Wiedemann und Ry X, aka Howling, spielten im ausverkauften Club Cann und gaben der sonst so kleinen rustikalen Halle im Cannstatter Jugendhaus ein träumerisches Flair.

Stuttgart - Wie ein lautes Herzklopfen klingt der pochende, grelle Ton, der über den Synthesizer abgespielt wird. Ein weiteres Klopfen taucht fast unbemerkt nach einer Weile auf - doch dieses Mal dumpfer und schneller. Der Herzschlag eines Zweiten, der auch noch pocht, wenn eine heulende Stimme einsetzt, die irgendwann von sphärischen Melodien eingerahmt wird und sich in ihnen gänzlich verliert.

 

Am Donnerstagabend spielte das Elektro-Duo Howling ein großartiges Konzert im ausverkauften Club Cann in Bad Cannstatt. Und das "womöglich kleinste und intimste Konzert", wie es der elektronische Stuttgarter Musikblog "Es ist Liebe" im Vorfeld ankündigte. In der Tat: 350 Zuschauer sind wenig für die Newcomer, die vergangenes Wochenende ihr eigenes Festival ("Sacred Ground") in Berlin veranstalteten. Doch für den deutschen DJ und Produzenten Frank Wiedemann, die eine Hälfte des Duos, muss das Stuttgarter Konzert ein Besonderes gewesen sein. So äußerte sich der gebürtige Karlsruher Wiedemann erst kürzlich in der Musikzeitschrift Groove, über gewünschte Nähe bei Auftritten. „Mir persönlich ging es die letzten Jahre so, dass speziell diese sehr großen Festivals für mich immer unpersönlicher wurden. Man spielt vor einer riesigen Menge Menschen, aber es gibt so gut wie keine Verbindung mehr zwischen dem Künstler und dem Publikum", so Wiedemann auf groove.de.

Doch wer ist eigentlich dieser Wiedemann und wie kommt es zu Howling?

Unter dem Namen Âme ist Wiedemann bereits seit 2004 mit Kristian Rädle als DJ und Produzent tätig. Durch Zufall wurde Wiedemann 2012 auf das Stück "Howling" von Ry Cuming, auch Ry X genannt, einem australischen Sänger und Songschreiber, aufmerksam. Wiedemann nahm das Stück "Howling" und legte unter Ry X heulende Stimme einen elektronischen Beat. So entstand erstmals ein Âme-Remix, ein elektronisches Stück, das in der Szene für große Begeisterung sorgte. Was folgte, ist eine Collaboration der beiden und ein Debüt. Ein Album, das aufgrund weiter Entfernungen nicht physisch zusammen im Studio entstand. Unter dem Namen "Howling - Sacred Ground" wurde es dieses Jahr im Mai veröffentlicht. Elektronische Töne, sphärischer Sound und klagender, träumerischer Gesang sind auf dem Album enthalten.

Im Club Cann passt es

Was jetzt nur noch live funktionieren muss. Mit beiden Künstlern auf einer Bühne. Und im Club Cann klappt es - ein Dritter verstärkt sogar das Team: Wiedemann experimentiert am Synthesizer und an der Drummaschine mit den Stücken, versetzt verschiedene Töne, variiert die Takte und passt so das Tempo am tanzenden Publikum an. Ein Schlagzeuger, dessen Name leider unbekannt blieb, verstärkt den Sound zusätzlich - ab und an sogar am Keyboard. Während Ry X gefühlvoll am Mikrofon singt, mal Bass, mal Gitarre spielt und so ganz in seiner Welt ist: die Augen meist verschlossen. Die Stimme zittert und heult. Er erzählt von Liebe, Gefühlen oder auch Streit. Bei dem Stück "Stole the Night" etwa oder "Short Line".

In dem Nirvana Cover "Smells like Teenspirit", singt er über die heutige Generation. Diese ist zwar anders als in den 90's, und tanzt im Club Cann so auch zu elektronischen Melodien, anstatt zum rebellierenden Grunge. Doch bleibt eines gleich: die Begeisterung für gute, anspruchsvolle Musik und eine mitgenommene Stimme, die singt. In diesem Fall Ry X statt Curt Cobain. Der einen Vollbart und eine Basecap trägt, statt sich in zerrissenen Jeans und mit langen Haaren zu präsentieren. Dessen Schreien mehr nach Trauer, statt Wut klingt - jedoch treffend für den Namen des Duos ist: Howling (Englisch, für "heulen"). Tränen fließen dabei aber nicht. Es ist der Schweiß der Teens, der im kleinen, sonst so rustikalen Club Cann fließt. Die Temperaturen im Raum gleichen einer Sauna.

Wenn Howling fast zwei Stunden im schwachen Licht spielen, der Sound und die Musik das Publikum musikalisch in eine andere Welt versetzen - lässt das für einen Moment vergessen, wo man sich gerade befindet, wie sehr man schwitzt. So lange zumindest, bis der pochende Beat aussetzt, am Ende nur das Schlagen des eigenen Herzens zu hören ist und man seine Augen wieder öffnet.

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