An Sex herrscht hier kein Mangel: Hugo Egon Balder, bekannt von RTL und Sat 1, spielt in der Komödie im Marquardt im Stück „Aufguss“. Da geht es nicht nur in der Sauna hoch her.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Hätte Mary diesen Kerl nicht ohnehin längst satt, sie müsste ihn vor die Tür setzten, mit Schimpf und Schande aus dem Haus jagen. Denn Dieter weiß, was gut für sie ist. Und deshalb hat er beschlossen: Mary braucht ein Kind. Nicht von ihm, sondern von einem jüngeren, potenteren Mann, einem mit Hirn und Muskeln. Er hat den Spender auch schon gefunden. Alain ist Mathematikdozent und Fitnesstrainer zugleich, er könnte gute Gene liefern für diesen infamen Coup. Dieter hat ihn auch bereits einbestellt, jetzt muss nur noch „die Spende in den Topf“.

 

Im Theater darf man sich solch verrückte Geschichten ausdenken – und deshalb gibt Mary ihrem Dieter auch keinen Tritt in den Hintern, sondern es entspinnt sich in der Komödie im Marquardt in Stuttgart eine klassische Verwechslungskomödie: „Aufguss oder Dampf endlich ab“. Zwei Wochen lang macht die Produktion des Düsseldorfer Theaters an der Kö Station in Stuttgart, weil die Rolle des Dieters, dieses ausgefuchsten Schufts, prominent besetzt ist mit Hugo Egon Balder. Man kennt ihn gut aus dem Fernsehen: Balder war Moderator der RTL-Show „Tutti Frutti“ und hat unter anderem die Comedy-Reihe „RTL Samstag Nacht“ produziert. Balder will die Menschen zum Lachen bringen.

Im Bademantel steht er nun auf der Bühne der Komödie im Marquardt, denn „Aufguss“ spielt in der Badelandschaft eines Wellnesshotels. Zwischen Sanarium, Dampfbad und Aufguss treffen in beschwingter Tür-auf-Tür-zu-Dramaturgie, fünf Personen in wechselnden Konstellationen aufeinander – und sprechen hoffnungslos aneinander vorbei. Die Komödie von René Heinersdorff basiert auf einem simplen Wortspiel: Heinersdorff steht selbst auf der Bühne und spielt den Chef einer Kinderklinik, für die er Spenden eintreiben will. Nicht Samen-, sondern Geldspenden. Und weil der eine an die Samen-, der andere an die Geldspende denkt, sind Verwirrungen und Irrungen vorprogrammiert. Und wenn Balder alias Dieter sagt „Ich bin gerade nicht flüssig“, kann das jeder auf seine Weise deuten.

„Bei manchen dauert es ewig, bis was kommt“

Es geht also anzüglich zu auf den Liegen im Hotel-Spa – und Heinersdorff reizt das Spiel mit den Doppeldeutigkeit sehr aus. „Viele kleine Pfützen ergeben am Ende auch einen See“, heißt es da, oder „Bei manchen dauert es ewig, bis was kommt.“ Das würde nicht über einen Abend hinweg tragen, deshalb hat der Autor allerhand amüsante Wendungen eingebaut. Mary (Madeleine Niesche) kennt ihren Samenspender bereits. Die Sekretärin des Klinikchefs – herrlich aufgekratzt und präsent gespielt von Dorkas Kiefer – kennt wiederum Dieter. Mehr sei nicht verraten. Auch wenn das Stück teilweise wirkt, als habe da einer das Lehrbuch zum Komödienschreiben sehr korrekt befolgt, ist „Aufguss“ durchaus witzig, weil die Figuren wie in einer Farce hoffnungslos miteinander verstrickt sind, bis ins Absurde hinein.

Heinersdorff spielt den dackelhaften Chef der Kinderklinik, der ein Infusionszentrum aufbauen will, wobei ihm, wie seine Sekretärin meint, „wahnsinnig viel daneben läuft“. Jens Hajek ist der potente Schönling und Samenspender, dem sein Einsatz selbst nicht recht geheuer ist. Ausgerechnet Hugo Egon Balders Rolle ist die uninteressanteste im Stück. Dieser erfolgreiche Chef einer Waschmittelfirma ist angeblich ein ermüdeter Schwerenöter, dem die Liebeleien über den Kopf wachsen. Aber letztlich ist die Figur unspezifisch angelegt und ohne besondere Charaktermerkmale ausgestattet, und so sieht man Balder, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt: schlicht als einen Mann, der immer einen frechen Spruch parat hat.

Die Inszenierung, ebenfalls von René Heinersdorff, schnurrt flott und leicht über die Bühne, das Team ist souverän und bestens eingespielt, ohne routiniert zu wirken. Schön, dass man versucht hat, das Gastspiel auf Stuttgart zuzuschneiden. Als die fünf Hotelgäste vom Abendessen zurückkehren, werfen sie sich plaudernd allerhand kuriose Bezeichnungen regionaler Speisen um die Ohren: Waiblinger Wildente, Nürtinger Nussnudeln und Ludwigsburger Lachs, Tübinger Thymiantäubchen und Degerlocher Dillsüppchen.

Und was wird mit der Spende? Die Sekretärin ermuntert die Hotelgäste. Es gebe doch immer Mittel und Wege, um „so eine große Spende schlucken zu können.“ Welche auch immer sie damit meint.