Jürgen Gutbrod holt mit seinem Dobermannrüden Ben den Titel im Schutzhundesport. Dabei müssen die Vierbeiner auf Kommando in verschiedenen Verstecken nach einem so genannten Scheintäter suchen.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stuttgart-Stammheim - Ben will nicht nur spielen. Ben will Fährten suchen, kiloschwere Holzhanteln apportieren und böse Buben verbellen. Und wenn es sein muss, packt der vierjährige Dobermann sie auch mal beherzt am Arm. Das alles macht der Hund aber nur dann, wenn sein Herrchen Jürgen Gutbrod es ihm erlaubt, beziehungsweise ihn dazu auffordert. Neulich in Norditalien haben die beiden das bei der Weltmeisterschaft im Schutzhundesport so gut gemacht wie kein anderes Gespann und die Weltmeistertitel in der Mannschaft und im Einzel gewonnen. Die beiden verwiesen 44 Teams aus 16 Ländern in den Disziplinen Fährtensuchen, Unterordnung und Schutzdienst auf ihre Plätze.

 

Apropos Platz. Keine Frage, dass Ben die Befehle Sitz, Platz, Fuß und Steh wie im Schlaf beherrscht. Aber dazu später mehr. Die erste Aufgabe, die den beiden beim Wettbewerb im Fußballstadion von Somma Lombardo gestellt wurde, war das Fährtensuchen: Ein so genannter Fährtenleger trägt 30 Minuten drei kleine Stücke aus Holz, Leder und Teppich am Körper, damit sie seinen Geruch aufnehmen. Dann läuft er auf einer Wiese oder einem Acker fünf Bahnen in verschiedenen Winkeln, insgesamt 500 Meter, und legt die Gegenstände nacheinander ab. Route und Ablagestellen werden vom Punktrichter vorgegeben. 40 Minuten später betreten Hund und Herrchen das Feld. Ein Fähnchen markiert den Startpunkt. Nun muss der Hund die Route akkurat nachlaufen und alle Gegenstände anzeigen, in dem er sich direkt davor setzt oder hinlegt. Das Herrchen folgt der Kaltschnauze mit zehn Metern Abstand und darf während der Übung nicht auf den Hund einwirken – jedes Wort, jede Geste bedeutet Punktabzug. Weicht der Hund von der Spur ab, ändert sein Tempo oder schaut verträumt in der Gegend herum, gehen weitere Zähler verloren.

„Dafür ist nicht jeder Hund geschaffen“

100 Punkte sind maximal zu erreichen. Ben schaffte 99. „Den letzten Gegenstand hatte er aus Versehen mit der Pfote berührt, dafür gab es den Abzug“, sagt Gutbrod. Die Suche erfolgte bei der WM übrigens auf einer frisch gemähten Wiese. Für die Vierbeiner besonders knifflig: „Die Dobermänner erkennen die Spur nicht etwa am Geruch des Fährtenlegers“, erklärt Gutbrod, der Vorstandsmitglied im Dobermann-Verein, Abteilung Stuttgart, ist. „Die Hunde wittern die Veränderung des zertretenen Rasens oder des Erdbodens, wenn die Prüfung auf einem Acker stattfindet.“

Am zweiten Wettkampftag stand Unterordnung auf dem Programm. Dabei musste Ben zunächst minutenlang im Stadion allein und ohne Leine auf seinem Platz verharren, während ein Artgenosse an der Reihe war. „Dieses Abliegen gehört für alle Dobermänner mit zur Prüfung“, erklärt Gutbrod. „Die Hunde dürfen sich dabei keinen Zentimeter von der Stelle bewegen, nur dann erhalten sie die volle Punktzahl.“ Im Anschluss musste Ben drei Minuten lang zeigen, dass er tipptopp bei Fuß laufen kann und sich weder von einer Gruppe Menschen noch von Pistolenschüssen beeindrucken lässt. „Dafür ist nicht jeder Hund geschaffen“, sagt Gutbrod. „Wenn es knallt, gehen manche stiften.“ Auch vom Szenenapplaus des fachkundigen Publikums und der sengenden Hitze ließen sich weder Hund noch Herrchen irritieren. Die an die „Freifolge“ anschließenden Anweisungen wie beispielsweise Sitz, Platz und Steh aus dem Schritttempo oder Lauf hatte der Dobermann derart akkurat drauf, dass das Team vom Punktrichter mehrfach die Höchstnote „vorzüglich“ erhielt. Auch das Apportieren der Holzhantel über eine Hürde und eine mannshohe Schrägwand funktionierte ohne größere Einwände. „Bewertet werden immer auch die Harmonie zwischen Hund und Herrchen“, sagt der Eglosheimer. Auch auf den Tonfall und die Lautstärke komme es an. „Wer seinen Hund zusammenbrüllt, hat keine Chance auf eine gute Platzierung.“ Unterm Strich erreichte das Duo 96 Punkte und sicherte sich den Titel auch in dieser Kategorie.

Dreimal die Woche Training

Bens Paradedisziplin ist der Schutzdienst; die hohe Kunst des Hundesports. Dabei müssen die Vierbeiner auf Kommando in verschiedenen Verstecken nach einem so genannten Scheintäter suchen. Entdeckt der Hund ihn, muss er ihn stellen und dessen Position bellend anzeigen. Berühren verboten. Gebissen wird auch nicht. Zumindest solange nicht, bis das Herrchen den Befehl dazu gibt. Und dann darf einzig und allein am Jute-Ärmel gezerrt werden, sonst war alle Mühe für die Katz. „Wenn ein Hund eine andere Stelle am Körper packen würde, wäre man sofort disqualifiziert und aus dem kompletten Wettbewerb ausgeschlossen.“ Durchgeführt werden verschiedene Varianten. Mal flüchtet der Täter, mal wird er eskortiert, mal stürmt er aufs Herrchen zu – dann wird verteidigt, bestenfalls gut gelaunt und mit wedelndem Schwanz. Die Vorführung von Gutbrod und seinem gelehrigen Schüler bei der WM wurde vom Punktrichter mit 98 Punkten belohnt: Sieg in der Kategorie Schutzdienst und Gesamtsieg.

„Es hat einfach alles geklappt“, freut sich der Eglosheimer, der in der Regel dreimal in der Woche auf dem Stammheimer Vereinsgelände trainiert, vor der WM aber Sonderschichten eingelegt hat. Schwimmtraining und Physiotherapie inklusive – für den Hund, versteht sich. Zählen kann Jürgen Gutbrod dabei stets auf die Unterstützung von seiner Ehefrau, von Freunden und Vereinskameraden. „Auf sich allein gestellt könnte man die Übungen gar nicht trainieren. So einen Weltmeistertitel verdankt man immer auch seinen Helfern.“

Fehlentwicklungen liegen am Unvermögen der Halter

Das A und O bei der Hundeerziehung seien Konsequenz, klare Ansagen und viel Geduld. „Der größte Fehler ist, wenn man zu schnell zu viel möchte, und dabei Spaß und Spiel für den Hund zu kurz kommen“, sagt der 47-Jährige, der auch als Ausbildungswart im Verein sein Wissen und die Erfahrung weitergibt. Fehlentwicklungen seien nicht von der Rasse abhängig, sondern lägen am Unvermögen der Halter. Ginge es nach dem frisch gebackenen Weltmeister, müsste jeder Hundebesitzer eine Art Führerschein ablegen und so sein Können nachweisen.

Ben ist nicht der erste Dobermann von Gutbrods, auch mit Bens Mutter Lucy war das Ehepaar schon auf Meisterschaften erfolgreich. Das mitunter negative Image, das Dobermännern anhafte, sei nicht gerechtfertigt. „Für mich sind Dobermänner sensible Schmusehunde mit starkem Bezug zu ihrem Halter. Sie sind gelehrig, elegant und treu – für mich persönlich könnte es keinen schöneren Hund geben!“