Seit Montag sind die protestierenden Asylbewerber vor dem Integrationsministerium im sogenannten nassen Hungerstreik. Sie essen nichts, trinken aber Wasser. Erste Flüchtlinge klagen über gesundheitliche Probleme.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Seit Montag sind die protestierenden Asylbewerber vor dem Integrationsministerium im sogenannten nassen Hungerstreik. Sie essen nichts, trinken aber Wasser. Erste Flüchtlinge klagen über gesundheitliche Probleme. Zwei Asylbewerber hätten eine Klinik aufgesucht, so der Sprecher der Asylbewerber aus dem Main-Tauber-Kreis, Mian Anwarulhaq.

 

Einer von ihnen, Osmar Ali Mehar, soll am Mittwoch ohnmächtig geworden sein. „Ich habe starke Schmerzen im Kopf“, sagt der 22-Jährige mit schwacher Stimme. Der zweite, Muhammad Imran Hameed, hat einen Tumor in der linken Wange. Eigentlich müsste er operiert werden, sagt Hameed. Er will trotzdem mit dem Hungerstreik fortfahren. „Das ist unsere einzige Chance“, meint der 39-Jährige.

Die Flüchtlinge fühlen sich im Main-Tauber-Kreis menschenunwürdig behandelt. Sie ziehen sogar in Erwägung, in einen trockenen Hungerstreik zu ziehen, wie es ihn im Juni in München gegeben hatte. „Vielleicht nächste Woche, wir halten uns die Option offen“, sagt Anwarulhaq. Momentan tränken sie aber Wasser.

Lage wird täglich neu bewertet

Dass einer der Flüchtlinge einen Tumor hat, ist der Stadt laut Pressesprecher Andreas Scharf bisher nicht bekannt gewesen. Auf einer Krisensitzung am Donnerstagvormittag haben Vertreter des Gesundheitsamts, des Amts für öffentliche Ordnung, der Polizei und des Integrationsministeriums beraten, wie weiter verfahren werden soll. „Wir werden regelmäßig medizinische Unterstützung und Hilfe anbieten“, sagt Scharf. Eine Räumung sei „jetzt keine Option“. Auch könne man niemanden zu einer Untersuchung zwingen. Die Lage werde zudem täglich neu bewertet, versichert Scharf.

Bereits am Mittwochabend hatte der leitende Notarzt der Stadt die Asylbewerber besucht. Doch diese lehnten eine Untersuchung ab, stattdessen werden „solidarische Ärzte“ über ein Poster gesucht.

Verbindungen nach München?

Das Protestlager hat sich verändert seit dem 17. Juli, als die Flüchtlinge ohne Ausrüstung ankamen. Inzwischen haben deutsche Unterstützer dünne Isomatten und Decken gebracht. Seit Dienstag steht eine Mahnwache vor dem Lager, betreut von eben jenen Unterstützern. „Es ist ihre Aktion, wir mischen uns nicht ein, wir unterstützen, was sie fordern, und schaffen die Logistik“, sagt ein Stuttgarter, der anonym bleiben will. Als „nicht wahr“ bezeichnet der Mann ein Gerücht, dass es Verbindungen zwischen dem Protestcamp in Stuttgart und den Flüchtlingen in München gebe. Bei den Anstiftern, die ebenfalls regelmäßig vor Ort sind, klingt das allerdings anders: „Es gibt zu allen Flüchtlingscamps Verbindungen“, sagt Peter Grohmann von den Anstiftern. Ob die Verbindungen die Unterstützer oder die Flüchtlinge betreffen, wisse er aber nicht.

Mian Anwarulhaq sieht man die Belastung der vergangenen Tage an. Er steht erschöpft im Schatten, eine Wasserflasche in der Hand, und gibt Interviews. „Wir bleiben hier, bis es eine Lösung für uns gibt“, sagt er. „Keine Lösung“ ist für ihn das Angebot des Landratsamts von vergangener Woche: „voraussichtlich“ am 1. Januar 2014 von Sach- auf Geldleistungen umzustellen. Die Umstellung ist eine zentrale Forderung der Asylbewerber. Doch das Versprechen ist ihnen zu unverbindlich. „Wir wollen jetzt eine Lösung“, sagt Anwarulhaq. Außerdem fordert er, dass die Flüchtlinge in anderen Landkreisen untergebracht werden.

Lebensmittel sind teurer als im normalen Supermarkt

„Sie wollen alles und das sofort, das wird nicht funktionieren“, sagt der Sprecher des Integrationsministeriums, Christoph Häring. Die Verträge mit dem Ladenbetreiber, in dem die Asylbewerber ihre Lebensmittel über ein Punktesystem kaufen, liefen bis zum 1. Januar. Was auch die Ministerin kritisiere: Die Lebensmittel in dem Shop seien teurer als im normalen Supermarkt.

Eine Absage erteilt Häring der Forderung der Flüchtlinge, auf Unterkünfte in anderen Landkreisen verteilt zu werden. „Dadurch würden wir einen Präzedenzfall schaffen“, sagt er. Der zuständige Abteilungsleiter für Flüchtlinge aus dem Ministerium habe sich die Unterkünfte angesehen. „Ihm sind keine katastrophalen Zustände aufgefallen“, sagt Häring.

Landratsamt lässt keinen Pressebesuch zu

Die StZ wollte sich selbst ein Bild vor Ort machen. Doch das Landratsamt lässt das nicht zu. „Wir bitten um Verständnis, dass wir derzeit von unserem Hausrecht Gebrauch machen und grundsätzlich keine Besuche von Pressevertretern in den Asylbewerberunterkünften gestatten“, heißt es hierzu aus dem Büro des Landrats.