Ein Schwerpunkt der diesjährigen Autoschau IAA sind Elektroautos. Natürlich haben sich die Modelle zum Publikumsmagneten entwickelt. Unter Zulieferern und Autobauern ist ein Wettlauf um die beste elektrische Achse für Elektroautos entbrannt.

Stuttgart - Wir sind schneller“, sagt Jörg Grotendorst, Leiter der ZF-Sparte Elektromobilität, stolz. „Wir sind besser“, entgegnet Bosch-Chef Volkmar Denner. Und Mahle will nach den Worten seines Chefs Wolf-Henning Scheider mit einem „kompakten und bezahlbaren“ Ansatz punkten. Unter den Autozulieferern ist ein regelrechter Wettlauf um den besten Antrieb für Elektroautos entbrannt.

 

Nicht nur Bosch, ZF und Mahle, sondern auch Conti, Schäffler, Siemens, Rheinmetall, Valeo, Getrag oder Borg-Warner sind an dem Thema dran – und dann noch die Hersteller selbst. Die Ingenieure von BMW etwa beschäftigen sich intensiv mit dem Zukunftsantrieb; 2021, mit der nächsten Generation der Elektroantriebe, soll es so weit sein, heißt es bei BMW. Bei Daimler, hält man sich dagegen mit Aussagen über die Ausstattung der angekündigten Elektroautofamilie EQ bedeckt. Der elektrische Smart, der seit Juli auf dem Markt ist und Renault-Technik hat, habe eine integrierte Antriebslösung, sagt ein Sprecher. Näheres sagt er nicht.

In Halle acht zu besichtigen

Auf der Automesse IAA in Frankfurt (bis 24. September) ist die Elektromobilität denn auch ein Schwerpunktthema. Bei Bosch heißt der Antrieb der Zukunft für Elektroautos und Hybride E-Achse. In Halle acht ist sie – ein Kombiprodukt aus Motor, Getriebe und Leistungselektronik – zu bestaunen. Sie soll Elektroautos leichter machen, ihren Wirkungsgrad steigern und die Reichweite der Stromer erhöhen. Spätestens 2019 soll der neue Antrieb in Serie gehen; einen ähnlichen Zeitplan hat auch Conti.

Video: Darum könnte der Wandel hin zu E-Autos Jobs in der Region Stuttgart gefährden:

ZF dagegen will noch in diesem Jahr mit der Serienfertigung beginnen. EVD – Electric Vehicle drive – heißt das Produkt, das sich aus den gleichen Komponenten wie die E-Achse zusammensetzt. Zurzeit werde in Schweinfurt, wo ZF den Bereich E-Mobilität konzentriert hat, die Produktion aufgebaut. Einige Hundert Mitarbeiter beschäftigen sich mit dem EVD. In drei Leistungsklassen wird es die elektronische Achse geben – damit sind alle Segmente vom kleinsten bis zum größten Pkw abgedeckt.

Der Wirkungsgrad liegt über 90 Prozent

Hinkt Bosch etwa hinterher? „Die Kunden sagen, unsere Lösung biete die höchste Leistung und die höchste Effizienz“, kontert Denner. „Das ist unsere Benchmark.“ Der Wirkungsgrad der E-Achse – also die tatsächliche Nutzung der eingesetzten Energie – liegt demnach zwischen 93 und 94 Prozent. Elektroautos mit dem bisherigen Antrieb schafften dagegen nur 80 Prozent, zieht ein Bosch-Sprecher den Vergleich. Und bei ZF? Einen allgemeingültigen Wert gebe es nicht, sagt ein ZF-Sprecher. Der Wirkungsgrad sei individuell abhängig etwa von der Geschwindigkeit. Der Friedrichshafener Zulieferer arbeitet bereits an der nächsten Generation. Einen Namen dafür gibt es schon: M-Stars. Neben Motor, Getriebe und Leistungselektronik werden zusätzlich Bremsen, Radaufhängung und Federung integriert.

Mahle präsentiert ebenfalls in Halle acht – Mahle Efficient Electric Transport (Meet). Zu sehen ist mehr als „nur“ ein neuer integrierter Elektroantrieb. Die Stuttgarter, die mit Kolben groß geworden sind, haben den Antrieb – zwei Elektromotoren, Getriebe und Leistungselektronik – gleich in einen kleinen, zweisitzigen Flitzer eingebaut. Dahinter steckt ein Konzept speziell für die urbane Umgebung. „Bis 2050 werden mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnen“, erläutert Scheider den Ansatz. Effizient sei das Fahrzeug. Der Wirkungsgrad liege bei 95 bis 96 Prozent. Wer täglich nicht mehr als 30 Kilometer fahre, müsse nur einmal pro Woche an die Steckdose zum Nachtanken, beschreibt er die Vorzüge – und dies selbst im Winter. Wie das geht? Das hat zum einen mit dem Gewicht zu tun. Das Meet-Auto bringe lediglich zwischen 600 und 700 Kilo auf die Waage, erläutert Otmar Scharrer, Leiter Zentrale Forschung und Vorausentwicklung bei Mahle. Im Vergleich dazu: der E-Smart Fortwo von Daimler hat ein Leergewicht von 1085 Kilo.

Ein E-Auto auch für den Winter

Dass die Reichweite im Winter nicht drastisch sinkt, hat zum anderen mit dem Thermomanagement zu tun. Bei bisherigen Elektroautos benötigt die Heizung etwa ein Drittel der gesamten Strommenge, um den Innenraum zu wärmen, rechnet Scheider vor. Mahle hat eine Lösung entwickelt, bei der nur dort geheizt wird, wo sich die Person befindet. Ist der Fahrer allein im Wagen, wird eben auch nur in der Nähe des Fahrersitzes geheizt. Möglich machen dies spezielle, dünn beschichtete Folien auf der Armablage oder an der Innenseite der Tür; die Folien lassen sich gezielt erwärmen. Der Fahrer wird in eine Wohlfühltemperatur eingehüllt, versichert Scheider, während es im Rest des Autos kalt bleibe.

Bezahlbar wird die Mahle-Lösung auch aus einem anderen Grund: Der Zulieferer aus Stuttgart kommt mit einem 48-Volt-Antrieb aus. Die ist eine Art Spartechnologie – die auch Bosch etwa für die Elektroroller E-Schwalbe verwendet –, die den Vorteil hat, dass teure Schutzmaßnahmen gegen elektrische Gefährdung nicht nötig sind, erläutert Scharrer. Das Meet-Konzept hat denn auch eine Höchstgeschwindigkeit von „nur“ 100 Kilometern in der Stunde, „mehr braucht man in der Stadt auch nicht“, sagt Scharrer.

Die Zulieferer wollen keine Autos bauen

Unisono versichern Bosch, Mahle und ZF, nicht in Konkurrenz zu den Autoherstellern treten zu wollen. Sie wollen nicht selbst Autos herstellen. Es sei vielmehr eine Art Bausatz, der nicht zuletzt neuen Marktteilnehmern angeboten werden soll. Vor allem in China, dem mittlerweile größten und – aufgrund vielfältiger Subventionen – am schnellsten wachsenden Markt für Elektrofahrzeuge, sind viele Jungunternehmen an den Start gegangen. Wie sagte ein Aussteller auf der IAA salopp und sehr vereinfachend: Eigentlich müsste ein Unternehmen nur noch eine Karosserie über die neuen Antriebsachsen stülpen, schon wäre das Elektroauto fertig.

Alle Hersteller sprechen von positiven Reaktionen auf ihre jeweiligen Konzepte, die sich in technischen Ausprägungen unterscheiden. Durch solche All-inclusive-Angebote verkürzt sich die Entwicklungszeit für die Hersteller dramatisch, begründet ZF-Experte Grotendorst das große Interesse der Kunden. Und Geschwindigkeit zähle in diesem Geschäft, versichert Grotendorst. Denner bleibt gelassen: „Der Markt ist noch nicht da“, sagt der Bosch-Chef. Wichtig sei vielmehr, dass man technologisch vorne sei. Und man brauche große Stückzahlen, um die Produktionskosten zu reduzieren. Sorgen, dass durch die Vielzahl der Anbieter der Wettbewerbsdruck erhöht wird und in einen Preiskampf ausartet, haben die Anbieter aber nicht: Der Markt sei groß genug für alle. Allerdings muss die Nachfrage erst noch richtig anspringen.