Nein, Ava Lee ist kein weiblicher James Bond. Und um Monster geht es in den „Wilden Bestien von Wuhan“ auch nicht. Es gibt aber mindestens einen guten Grund, diesen Krimi von Ian Hamilton zu lesen.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Der Klappentext und auch der Titel führen etwas in die Irre. Weder ist Ava Lee „eine Art weiblicher James Bond“ (WDR), noch sind „Die wilden Bestien von Wuhan“ ein Hinweis darauf, dass, sagen wir mal: Monster!!! oder Serienkiller!!! eine Hauptrolle in Ian Hamiltons gleichnamigem Krimi spielen.

 

Hamiltons Heldin Ava Lee ist im Gegensatz zu Bond keine Zynikerin, sie trinkt keinen Wodka-Martini (statt dessen aber recht gern und regelmäßig Wein), sie ist kein Haudrauf (auch wenn sie den „uralten, extrem gefährlichen Kampfsport“ Bak Mei beherrscht) und ein Womanizer ist sie letztlich auch nicht (jedenfalls nicht, was die Zahl der im Buch geschilderten Kontakte betrifft – von der persönlichen Orientierung her kommt das schon eher hin).

Es gibt kein Bier auf Färöer

Ava Lee, halb Chinesin, halb Kanadierin, ist vielmehr eine moderne Frau, die ihr Geld als Ermittlerin verdient. In diesem Fall wird sie von einem chinesischen Oligarchen gebucht, der persönlich beleidigt ist, weil man ihm gefälschte Gemälde angedreht hat. Widerstrebend zwar, aber am Ende erfolgreich macht sich Lee an die Aufklärung der Sache, die sie von der Glitzerwelt Hongkongs bis auf die Färöer-Inseln bringt (wo es offiziell nicht einmal Alkohol gibt).

Sachlich und meist zielstrebig geht die Agentin ihrer Arbeit nach, Action-Szenen sind rar in diesem Verwirrspiel um Fälscher und Kunsthändler. Nur einmal lehrt sie drei betrunkene russische Matrosen Mores, weil die ihr an die Wäsche wollen. Nicht nur wegen des Verzichts auf Gewaltexzesse könnte man mit einer gewissen Berechtigung von einem Frauenkrimi sprechen – sondern auch, weil ständig geschildert wird, welche Markentextilien Lee bevorzugt, welches Makeup sie anlegt oder welche Nobeluhr sie trägt.

Miss Lees Gespür für Geschäfte

Doch egal ob Männlein oder Weiblein: wer dieses sachliche, sauber gestrickte Stück Unterhaltungsliteratur bis zum Ende liest, wird mit einem furiosen Finale belohnt. Denn kurz vor Schluss kehrt Ava Lee gegenüber ihrem Auftraggeber und dessen nicht weniger zwielichtiger Gattin die knallharte Verhandlerin heraus und diktiert den beiden ihre Vorstellungen von einem anständigen Geschäft. Grandios.

Kleiner Wermutstropfen: Der Rest vom Buch ist dann noch mal Familienleben. Papa, Mama, Freundin, Schwester, Schwager, Schwangerschaft – bei James Bond hätte es das so nicht gegeben.

Ian Hamilton: Die wilden Bestien von Wuhan. Ein Ava-Lee-Krimi. Aus dem Englischen von Simone Jakob. Kein & Aber, Zürich. 347 Seiten, 19,90 Euro. Auch als E-Book, 15,99 Euro.