Der originär amerikanische Trend „Ice Bucket Challenge“ ist eine Aktion unter Parteifreunden. Um die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) in den Fokus zu rücken, lassen sich dafür immer mehr Menschen mit Eiswasser überschütten. Davon wird ein Video gedreht und ins Internet gestellt. Im sozialen Netzwerk Facebook wird dann auf diesen „Ice Bucket Challenge“ verwiesen. Wer daran teilgenommen hat, nominiert weitere Personen.

Hemmingen - Bisher ist es eine Gaudi unter Parteifreunden, zumindest im Strohgäu. Um die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) in den Fokus zu rücken, lassen sich dafür immer mehr Menschen mit Eiswasser überschütten. Davon wird ein Video gedreht und ins Internet gestellt. Im sozialen Netzwerk Facebook wird dann auf diesen „Ice Bucket Challenge“ verwiesen. Wer daran teilgenommen hat, nominiert weitere Personen.

 

Auch der Hemminger Bürgermeister Thomas Schäfer ließ sich vor wenigen Tagen eiskalt duschen. Die Wohltätigkeitsaktion habe er gern unterstützt, schließlich stehe dabei auch die Erforschung einer unheilbaren Krankheit im Fokus. „Das ist eine gute Sache“, so Schäfer. Um die Temperatur des Wassers herunterzukühlen, habe er selbst noch Eiswürfel an der Tankstelle gekauft, erzählt der Schultes. Bei einem Fest ließ sich der 32-Jährige dann den Eimer von seinem Parteifreund, dem Ditzinger CDU-Stadtrat Sven Sautter, über den Kopf schütten.

Sautter brachte damit die ursprünglich amerikanische Aktion ins Strohgäu, ohne selbst nominiert worden zu sein. Der Stadt- und Regionalrat hatte nach eigenem Bekunden zuvor keinen Bezug zu der Nervenkrankheit ALS gehabt. „Die Aktion finde ich gut, um darauf aufmerksam zu machen“, begründet er seine Motivation, Ice Bucket Challenge im südlichen Kreis Ludwigsburg anzustoßen.

Inzwischen bringt die Aktion weltweit Aufmerksamkeit. Der Freidemokrat Christian Lindner war dabei ebenso wie der Fußballer Ronaldo und der Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich. Die Aktion geht auf den inzwischen verstorbenen Amerikaner Corey Griffin zurück. ALS ist eine Erkrankung, die Nervenzellen im Gehirn und im Rückenmark angreift. Die Erkrankten verlieren die Kontrolle über ihre Muskeln, es kommt zu spastischen Lähmungen. In den USA leben rund 30 000 Personen mit ALS, in Deutschland laut der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke zwischen 4000 und 6000.

Die Grundidee hinter der „Ice Bucket Challenge“ lautet „Geld oder Eiswasser“. Wer vor dem Eiskübel kneift, sollte ursprünglich für den guten Zweck spenden. Weil aber gerade Prominente das Prinzip abwandeln und nun duschen und spenden, kamen laut der amerikanischen ALS-Vereinigung binnen sechs Tagen bis zum gestrigen Montag 57 Millionen US-Dollar zusammen. Sven Sautter, der Initiator im Strohgäu, hatte allerdings überlegt, auf diese Weise die Aufmerksamkeit auf eine soziale Einrichtung zu richten. Letztlich blieb es aber bei der Grundidee.

Auf Facebook ließen die Kommentare zu Schäfers Dusche nicht lange auf sich warten. Gerd Spiegel, der ehemalige Bürgermeister der Nachbargemeinde Schwieberdingen erklärte, „ein Bürgermeister benötigt immer einen kühlen Kopf!“ Schäfer hatte die Dusche vergleichsweise gelassen hingenommen. Der Besigheimer Schultes Steffen Bühler attestierte ihm deshalb, sich „prima gehalten“ zu haben. Schäfer nominierte seinerseits die Landtagsabgeordneten Konrad Epple (CDU), Markus Rösler (Grüne) und den als SPD-nah geltenden Ditzinger OB Michael Makurath. Rösler weilt derzeit im Urlaub. Und Makurath ließ mitteilen, dafür nicht zur Verfügung zu stehen. Epple hingegen hat sich auf dem Fest seines Hemminger Parteifreunds Peter Huber vom CDU-Fraktionschef Walter Bauer übergießen lassen. Dann nominierte er den Europapolitiker Rainer Wieland. Der Initiator Sven Sautter hingegen kam bisher ungeschoren davon.

Pro – Die Aktion ist eine Gaudi, aber sie ist hilfreich

Zugegeben, auf den ersten Blick ist die Aktion albern: man lässt sich einen Eimer Wasser über den Kopf schütten und stellt das Video davon ins Internet. Ice Bucket Challenge ist nichts anderes als ein eiskalt-nasser Kettenbrief, bei dem die Beteiligten hinterher wie begossene Pudel dastehen. Gleichwohl wurde selten soviel über die Krankheit ALS berichtet, wie dieser Tage. Wenn auch nur kurz und dank einer Gaudi rückt die Aktion die Nervenkrankheit in den Fokus. Das ist gut so.

Die Nervenkrankheit ist zwar – noch – unheilbar, doch das bedeutet nicht, dass den Erkrankten selbst das Lachen vergangen ist. Warum sollen sie also keine lustige Aktion machen, um so auf ihre Situation hinzuweisen? Sie tun dies schließlich über Facebook und dort in einer Form, die den vorwiegend jungen Nutzerkreis des Mediums anspricht. Mehr ist Ice Bucket Challenge nicht. Aber immerhin nicht weniger. Von Franziska Kleiner

Contra – Selbstdarstellung siegt über Spendenkampagne

Hirnverbrannter Blödsinn. So lautet die Kontraposition zum „Ice Bucket Challenge“ kurz. Bill Gates hat es getan, Helene Fischer war auf einem herzallerliebsten Video eiskalt zu besichtigen, Basti Schweinsteiger auch – und nun geistert auch der Bürgermeister von Hemmingen samt Parteifreund patschnass und bibbernd durch facebook und Co. Jeder, der etwas auf sich hält und nicht als Weichei dastehen will, macht den Abkühlungsgag mit. Es kann nur noch wenige Tage dauern, bis die ganze Welt dabei war. Ein hohes Lob denen, die widerstehen. Muss man jeden Blödsinn mitgemacht haben – auch wenn dieser einer guten Sache dient? Schaut man genau hin, ist die Spende für die Nervenkrankheits-Kampagne doch nur das Feigenblatt, um die Selbstdarstellung zu kaschieren. Was machen wir, wenn einer auf die Idee kommt – und demnächst zu einem Güllebad beim nächsten Bauern aufruft? Von Klaus Wagner