Ein Kulturabend türkischer Nationalisten am Samstag in Ebersbach weckt Besorgnis. Beim Göppinger Idealistenverein kann man die Aufregung gar nicht verstehen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Im Vereinslokal des Türkischen Idealistenvereins in der Jahnstraße, nur wenige Schritte vom Göppinger Freibad entfernt, sitzt eine Handvoll Jugendlicher im Neonlicht. An der Bar fehlt der Zapfhahn, dafür köcheln zwei silberne Teekannen auf einer Wärmeplatte vor sich hin. Die Grauen Wölfe, wie die Idealisten auch heißen, treffen sich also hier – wenn sie nicht gerade mit einem Kulturabend wie jetzt in Ebersbach Aufregung auslösen. Ein Flachbildschirm an der Wand sendet Nachrichten des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Daneben wirbt ein Plakat für Studienreisen in die Türkei und nach Mekka.

 

Das mit dem grauen Wolf sei ganz harmlos, sagt Mustafa Tok. „Das ist ein Symbol aus unserer Mythologie und steht für alle Turkvölker.“ Man müsse sich das wie den französischen Hahn oder den deutschen Bundesadler vorstellen. Der hat die Grauen Wölfe in der Jahnstraße fest im Blick. An der Wand hängt eine Deutschlandfahne mit einmodelliertem Wappengeflügel.

Türkei in osmanischer Ausbreitung

Tok ist so etwas wie der Pressesprecher der 27 Idealistenvereine im Raum Stuttgart. Der 37-jährige Maschineninstandhalter ist eigens aus Sindelfingen (Kreis Böblingen) angereist, um seinen Göppinger Gesinnungsgenossen beizustehen. Die haben mit ihrer Ankündigung, am Samstag im Diamanthaus in Ebersbach einen Kulturabend zu veranstalten, mächtigen Wirbel verursacht. Bis zu 800 türkische Ultranationalisten würden sich versammeln, hieß es. Der Bürgermeister Sepp Vogler zeigte sich besorgt, die Junge Union im Kreis rief zu einer Kundgebung auf.

Er sei traurig darüber, was über seinen Verein berichtet werde, sagt Nurettin Degirmenci. Der 39-jährige Arbeiter leitet den Göppinger Verein mit seinen 62 Mitgliedern seit zehn Monaten. Auf seinem Schreibtisch stehen ein türkischer und ein osmanischer Wimpel. Hinter ihm an der Wand hängen der Republikgründer Kemal Atatürk und zwei Männer, bei denen es sich um den Gründer und den gegenwärtigen Vorsitzenden der MHP handelt. Die türkische Partei der Nationalistischen Bewegung ist eng mit den Idealistenvereinen in Deutschland verquickt. Der Traum von einer Großtürkei in den Grenzen des Osmanischen Reiches gehört zur Ideologie.

Moschee und Grundgesetz

Doch spielt das in der Göppinger Vereinsarbeit eine Rolle? „Wir wollen unsere türkische Identität erhalten und so leben, wie es sich gehört“, sagt Tok. Deshalb gibt es auch einen Gebetsraum. Der Saal für die Männer befindet sich gleich nebenan. Früher war dort der Ausstellungsraum eines Fliesenlegers, heute ist er prächtig gekachelt. Nur wer sich seiner eigenen Herkunft gewiss sei, könne sich auch gut integrieren, meint Tok. „Wir schauen, dass sich unsere Mitglieder ans Grundgesetz halten“ – Schafe im Wolfspelz?

Tatsächlich liegt bei der Polizei nichts gegen die Göppinger Idealisten vor. Bei einem Kulturabend in der Werfthalle vor zwei Jahren registrierten die Beamten nicht einmal einen Parkverstoß. Zweimal schaffte sie es in den vergangenen Jahren dennoch in den Polizeibericht. 2005 und 2007 gab es Brandanschläge gegen das Vereinsdomizil, weshalb mittlerweile vier Kameras das Umfeld überwachen.

Gesprächsangebot an die Junge Union

Warum aber dann die ganze Aufregung? Er habe dafür Verständnis, sagt der Göppinger Vorstandssekretär Adem Demir. 30 Jahre lang sei der Verein nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Nun mache er innerhalb von zwei Jahren zwei Großveranstaltungen. „Wir wollen uns in Zukunft stärker einbringen.“ Auch auf die Junge Union wolle man zugehen.