Immer noch gibt es Fernsehgeräte und andere Elektronik unter dem Namen Grundig – doch produziert wird hier zu Lande nicht mehr. Auf der Internationalen Funkausstellung sind noch andere Gespenster einer großen deutschen Industrievergangenheit zu sehen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Und noch einer weniger: Mit Loewe fehlt auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin einer der letzten deutschen TV-Hersteller. Nach der Insolvenz führen zwar zwei Investoren das traditionsreiche Unternehmen aus dem fränkischen Kronach weiter und lassen dort auch noch produzieren. Doch auf den teuren IFA-Auftritt hat Loewe, bisher einer der großen Aussteller unterm Funkturm, zumindest dieses Mal verzichtet.

 

  Metz dagegen hat sich den IFA-Besuch nicht gespart und zeigt in Berlin wieder neue Modelle. Auch der vor 67 Jahren gegründete TV-Hersteller aus dem fränkischen Zirndorf macht aber schwere Zeiten durch. Nach einem langen Niedergang folgte Ende 2014 die Pleite des Familienunternehmens, das seit den Fünfzigerjahren in Deutschland Fernseher produziert. Ein chinesischer Zulieferer hat Metz inzwischen aus der Insolvenz übernommen und führt das hiesige Werk vorerst weiter.

  Loewe und Metz sind zwei der drei letzten deutschen TV-Hersteller, die in der Nische überlebt haben. Die IFA ist zwar die weltweit wichtigste Messe der Unterhaltungselektronik und Deutschland einer der größten Märkte. Doch im globalen Milliardengeschäft mit Fernsehern, Video- und Audiogeräten spielt die einst führende deutsche Wirtschaft fast keine Rolle. Nur an wenigen Orten hierzulande wird noch produziert. Hinter den meisten Traditionsmarken stecken ausländische Anbieter.

  Da gab es ganz andere Zeiten. Als das TV-Bild noch schwarz-weiß war, Asien weit weg und Globalisierung kein Thema, lief die deutsche Unterhaltungselektronik auf Hochtouren. Bereits 1964 wurden 8,5 Millionen Fernseher verkauft, fast alle stammten aus heimischen Werken und trugen klangvolle Namen. Ob AEG, Blaupunkt, Brandt, Braun, Dual, Grundig, Ideal, Loewe oder Lorenz, die Markenprodukte symbolisierten das deutsche Wirtschaftswunder und standen wie Mende, Metz, Minerva, Nora, Nordmende, Saba, Schaub, Siemens, Stassfurt oder Telefunken für Wertarbeit „Made in Germany“.  

Frühere Vorzeigeunternehmen als billige Lizenzmarken

Und heute? Allenfalls als billige Lizenzmarke spielen die meisten der früheren Vorzeigenamen noch eine Rolle. Auf Küchengeräten, Autoradios oder Kleingeräten, die zum Beispiel aus der Türkei kommen, kleben dann Namen wie AEG, Blaupunkt, Braun oder Telefunken. Mit den einstigen Traditionsherstellern aber haben die Produkte in der Regel überhaupt nichts mehr zu tun. Mit den einst stolzen Marken der Pioniere soll meist nur billige Massenware aufgepeppt werden.

  Etwas anders gelagert ist der Fall Grundig. Zwar ist auch von dem ehemals stolzen fränkischen Konzern kaum etwas übrig geblieben. Doch wenigstens führt ein großer türkischer Hersteller unter der deutschen Marke eine umfangreiche Modellpalette weiter, die allerdings auch jenseits der deutschen Grenzen gefertigt wird. Die Türken kauften das zugkräftige Emblem, nachdem der fast sechzig Jahre alte Nürnberger Konzern mit den letzten 1400 Beschäftigten in die Insolvenz rutschte und zerschlagen wurde.   Max Grundig, einer der gefeierten deutschen Wirtschaftspioniere nach dem Zweiten Weltkrieg, starb 1989 und erlebte die Insolvenz seiner Firma vor zwölf Jahren nicht mehr. Lange hatten sich die Franken gegen den Niedergang gestemmt, doch am Ende unterlagen auch sie der billigeren und besseren Konkurrenz aus Asien.

Erst die Japaner, nun die Koreaner

Zunächst die Japaner, dann die Koreaner eroberten systematisch den deutschen Markt. Matsushita (Panasonic) startete schon 1962 die erste hiesige Filiale, einige Jahre später folgten Sharp, Hitachi, Kenwood, Toshiba sowie Sony. Ab den  Siebzigerjahren kamen JVC, Aiwa, Mitsubishi und Denon und ab den Achtzigerjahren die Koreaner: Goldstar, Samsung, Daewoo, LG. Selbst im Schulterschluss konnten Europas Hersteller gegen diese strategische Offensive auf Dauer nicht bestehen. Im verschärften Wettbewerb brachen vor  allem in den Siebziger- und Achtzigerjahren reihenweise Traditionsfirmen zusammen oder wurden aufgekauft.

Der französische Konkurrent Thomson übernahm Nordmende, Saba, Telefunken und Dual, Sony schnappte sich Wega, Philips stieg bei Grundig ein. Nokia übernahm die Unterhaltungselektronik von SEL, jener Firma, in der Schaub-Lorenz, Standard Elektrik und Graetz aufgegangen waren.   Selbst mächtige Großkonzerne gaben schließlich die Unterhaltungselektronik auf. Siemens schloss schon in den Sechzigerjahren die eigenen Werke, verkaufte dann Grundig-Geräte unter eigener Marke und stieg letztlich ganz aus. Philips, der letzte große Anbieter aus Europa, hat sein defizitäres TV-Geschäft inzwischen komplett an einen Partner aus China abgegeben.   Die Chinesen mischen mittlerweile auch in der Unterhaltungselektronik kräftig mit, während die Japaner auf dem absteigenden Ast sind. Toshiba gibt nach den USA die Sparte auch in Europa auf und tritt die Markenrechte an eine Firma aus Taiwan ab, Sharp hat das TV-Geschäft an Slowaken verkauft. Es dominieren inzwischen die technologisch führenden Konzerne Samsung und LG aus Südkorea.

Fast keine Arbeitsplätze mehr in Deutschland

Weltkonzerne –
Nur wenige Weltkonzerne beherrschen heute die Unterhaltungselektronik, die Europäer spielen kaum noch eine Rolle. So kommt das Herzstück jedes Flachbildschirms, das Panel, ausschließlich aus Asien. Hier hat die übrige Welt den Anschluss verloren. Das Innovationstempo jedoch ist hoch, die Digitalisierung bietet neue Chancen für Tüftler und findige Unternehmen.

Deutschland –
Von den einst mehr als 120 000 Industriearbeitsplätzen der Branche in Deutschland ist kaum etwas übrig geblieben. Ob Sony in Fellbach, Philips in Krefeld, Panasonic in Esslingen oder Samsung und JVC in Berlin – scharenweise machten die Hersteller in den letzten Jahrzehnten ihre hiesigen Werke dicht, getrieben vom Preisdruck am Markt und dem Zwang, in Billiglohnländern produzieren zu müssen.