Aus Sicht der IG Metall erfüllen neue Formen der Beschäftigung wie das Crowdworking oft nicht die Mindeststandards. Die Plattform-Ökonomie im Internet dürfe nicht zu einer Abwärtsspirale bei Vergütung, sozialer Absicherung und Mitbestimmung führen, mahnt sie.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Arbeitsform ist ein Exportschlager des amerikanischen Arbeitsmarktes und in Deutschland nicht mehr ganz so neu: Crowdwork. Schätzungsweise eine Million Crowdworker gibt es hierzulande. Doch kommt erst jetzt ein Prozess in Gang, feste Schutzregeln dafür zu entwickeln, um den arbeitsrechtlichen Wildwuchs in geordnete Bahnen zu lenken.

 

Crowdwork ist eine Form von digitaler Auslagerung im globalen Arbeitsmarkt. Unternehmen (sogenannte Crowdsourcer) vergeben über zwischengeschaltete Internetplattformen Aufträge an ihnen meist unbekannte Zulieferer (Crowdworker), die die Jobs für sie erledigen. Dies können gering bezahlte, einfache Aufgaben sein, sind oft aber höher entlohnte Aufträge für Hochqualifizierte. Meistens werden sie nebenbei erledigt, nicht selten in Vollzeit. Kennzeichnend ist das Machtungleichgewicht zwischen Plattformbetreibern und Crowdworkern, weil es sich nicht um ein austariertes Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt.

Leitlinien für „vertrauensvolles Miteinander“

Die Gewerkschaften haben das Problem erkannt und arbeiten immer intensiver an Lösungen. Dazu zählen Vorschläge für passgenauere Gesetze, eine Vernetzung der Crowdworker etwa durch Workshops und eine Selbstverpflichtung der Plattformen zu fairen Arbeitsbedingungen. Dabei stoßen die Gewerkschaften buchstäblich an Grenzen, weil das digitale Geschäft oft international verbunden ist. „Wir müssen alles daran setzen, dass Crowdworking nicht zu einer Abwärtsspirale bei Vergütung, sozialer Absicherung und Mitbestimmung führt“, sagte IG-Metall-Vize Christiane Benner in Berlin. Auch durch ihr engagiertes Zutun wurde unlängst ein Kodex („Code of Conduct“) mit acht der etwa 32 deutschen Crowdwork-Plattformen neu aufgelegt. Darin sind „Leitlinien für ein vertrauensvolles Miteinander“ definiert und lokale Lohnstandards als Ziel vorgegeben. Soloselbstständigen bietet die IG Metall die Internetseite www.faircrowdwork.org als Anlaufstelle.

Die Gewerkschaft bemüht sich auch um eine wissenschaftliche Aufarbeitung. So wurde jetzt eine mit deutschen, US-amerikanischen und japanischen Forschern erstellte Studie vorgestellt, für die der jeweilige Status und der rechtliche Schutz von Crowdworkern untersucht wurde. Ob arbeitnehmerähnlich, selbstständig oder abhängig beschäftigt – der Status ist sehr unterschiedlich. Er beeinflusst die Rechte der plattformbasiert tätigen Menschen und ihre soziale Absicherung. Diese ist in der Praxis oft dürftig, so die Wissenschaftler. Während die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für entsprechende Verträge in Deutschland überwiegend fair gestaltet sind, würden in den USA die Crowdworker „massiv benachteiligt“. Vorgeschlagen wird unter anderem, dem fast vergessenen Heimarbeitsgesetz wieder mehr Beachtung zu schenken, um die Schutzvorschriften von Crowdworkern zu stärken.

Daimler führt die Schwarm-Organisation ein

Benner zufolge arbeiten zum Beispiel Airbus, BMW, Daimler oder VW mit externen Plattformen. Sie beobachtet zudem „eine regelrechte Welle, Crowdworking oder ähnliche Arbeitsformen innerhalb der Unternehmen zu etablieren“. Vorreiter will hier Daimler werden, nachdem Vorstandschef Dieter Zetsche im Vorjahr angekündigt hat, dass 20 Prozent der Beschäftigten im Bereich „Autonomes Fahren – Digitalisierung – Car Sharing und Elektromobilität“ auf eine „Schwarm-Organisation“ umgestellt würden. Dabei werden von Hierarchien befreite Mitarbeiter „unabhängig von Abteilungsgrenzen sehr autonom vernetzt – keinesfalls auf einzelne Projekte beschränkt, sondern dauerhaft“. Ein Stellenabbau durch internes Crowdsourcing ist in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen aber noch nicht erkennbar. Auch die Gewerkschaft Verdi hatte jüngst eine mit wissenschaftlicher Begleitung erstellte Studie vorgestellt. Demnach schätzen Crowdworker zwar die geringen formalen Zugangshürden, rügen aber die niedrige Entlohnung. Die Arbeitszufriedenheit sei deutlich geringer als bei regulären Jobs.