Die Stimmung in der Südwest-Wirtschaft ist so gut wie schon lange nicht mehr. Die IHK Region Stuttgart befürchtet aber eine zunehmende Verunsicherung der Firmen durch die Abschottungspolitik der USA und den Brexit.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die Unternehmen in Baden-Württemberg und der Region Stuttgart sind in Hochstimmung. Andreas Richter, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, kann sich nicht daran erinnern, wann die Firmen Lage und Ausblick so positiv beurteilt haben wie in den jüngsten Umfragen des baden-württembergischen IHK-Tags und der IHK Region Stuttgart. Zwei Punkte aber gibt es, die trotz guter Stimmung zu zunehmender Unsicherheit führen: die angekündigte Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump und der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union.

 

Der Aufwärtstrend geht weiter

Beides aber war schon bekannt, als die Stuttgarter IHK, die auch für die übrigen Kammern im Südwesten federführend beim Thema Konjunktur ist, zu Beginn des Jahres die Unternehmer befragte. „Die Südwest-Wirtschaft setzt ihren Aufwärtstrend fort – die meisten Unternehmen bewerten ihre Lage nochmals besser als im letzten Herbst“, so das Fazit von Richter. Auch der Ausblick der Firmen ist nochmals zuversichtlicher geworden: Die allermeisten Befragten rechnen damit, dass ihre Geschäfte auch 2017 weiter gut gehen oder sich sogar nochmals verbessern werden. Vor dem für heute erwarteten Konjunkturbericht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) haben auch andere regionale Kammern in Deutschland die Entwicklung in ihrem Bezirk als positiv eingestuft.

Dennoch machten die zunehmenden Risiken auf dem Weltmarkt Sorgen, sagte Richter. Gerade die stark exportabhängige Wirtschaft Baden-Württembergs und der Region Stuttgart könne durch die aktuellen Entwicklungen in den USA, aber auch durch den britischen Brexit einen Dämpfer bekommen. Mit Ausfuhren von fast 20 Milliarden Euro von Januar bis Oktober des vergangenen Jahres sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Exportmarkt der Wirtschaft im Südwesten. Das Vereinigte Königreich lag im selben Zeitraum mit etwas mehr als zehn Millionen Euro auf Platz sechs.

Die Firmen fahren auf Sicht

„Man fährt auf Sicht und es bleibt auch gar nichts anderes übrig“, meinte der IHK-Hauptgeschäftsführer zu den zunehmenden Irritationen durch Trump und Brexit. Die Politik des US-Präsidenten sorge ebenso für Unklarheiten wie die zu erwartenden langwierigen Verhandlungen über die Details des britischen Ausstiegs aus der EU. Zu rechnen sei auch mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Beschäftigung britischer Staatsbürger in der EU und von EU-Bürgern im Vereinigten Königreich. „Es wird nichts über den Haufen geworfen, aber es gibt eine große Zurückhaltung bei Investitionen“, sagte Richter. Dass die laut Umfrage so positiv gestimmten Unternehmen sich Illusionen über Trump machten, glaube er nicht. Aber da viele Vorhaben auch vom Kongress gebilligt werden müssten, werde wohl „alles nicht so schnell gehen“.

Klar sei aber auch, dass mögliche große Ausfälle auf dem US-Markt nicht in vollem Umfang durch Ausfuhren in andere Regionen der Welt in vollem Umfang kompensiert werden könnten. Im Gegensatz zur Wirtschaft etwa anderer europäischer Länder aber habe die deutsche den Vorteil, dass sie schon jetzt in vielen Weltregionen vertreten sei, sagte der für die Außenwirtschaft zuständige IHK-Geschäftsführer Tassilo Zywietz. Die Unternehmen seien „besorgt, aber nicht in Aufregung“, sagte Richter zu der gegenwärtigen Situation.

Handelsverband warnt vor Trump

Von den regionalen Unternehmen aus dem Kammerbezirk beurteilen laut IHK-Umfrage fast 54 Prozent ihre Lage als gut. Einen Spitzenwert erreichen dabei die Bauwirtschaft sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe, wo 67 Prozent der Firmen ihre Lage als gut einschätzen. Dies sind auch die Branchen mit der stärksten Verbesserung gegenüber der Herbstumfrage. Bei der Industrie stieg die Zahl der Unternehmen, die eine „gute“ Lagebeurteilung abgeben, seit Herbst von 43 Prozent auf 50 Prozent, im Großhandel von 42 auf 52 Prozent. Holger Börner, der Präsident des deutschen Außenhandelsverbandes BGA hat in Berlin allerdings in scharfer Form vor der Politik des US-Präsidenten gewarnt. Dieser sei ein „machtbesessener Familienunternehmer“ und habe mit dem Gewinn der US-Wahlen nun sein „Traumunternehmen“ bekommen, sagte Börner. Die Liste der Risiken für Auslandsgeschäfte werde immer länger. Noch rechne er allerdings damit, dass die deutschen Ausfuhren im laufenden Jahr um 2,5 Prozent zunähmen. Unter den nach ihrer Situation befragten Unternehmen der Region Stuttgart hält der Einzelhandel mit seiner Lagebeurteilung die rote Laterne: In dieser Branche bezeichnen nur 35 Prozent der Unternehmen ihre Situation als gut, deutlich weniger als noch im Herbst.

Vor allem die Industrie wird zuversichtlicher

Nochmals gestiegen ist die Zahl der Unternehmen, die 2017 bessere Geschäfte erwarten. Diese nahm seit Herbst von 26 auf 31 Prozent zu. Fast zwei Drittel der Unternehmen rechnen mit gleich bleibenden Geschäften, nur acht Prozent mit schlechteren. An der Spitze der Wirtschaftszweige, die eine Verbesserung erwarten, steht mit einem Anstieg von 31 Prozent auf 41 Prozent seit dem vergangenen Herbst die Industrie. Auch Bauwirtschaft und Dienstleistungsbranche zeigen sich – wenn auch auf niedrigerem Niveau – optimistisch. Mit etwas schlechteren Geschäften rechnen dagegen der Handel und das Hotel- und Gaststättengewerbe. Die insgesamt positive Beurteilung wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: Immerhin 26 Prozent der Unternehmen wollen ihre Mitarbeiterzahl steigern, 60 Prozent sie konstant halten, aber nur 15 Prozent reduzieren. Der Mangel an Fachkräften gilt weiter als eines der wichtigsten Hemmnisse für die Ausweitung der Geschäfte.