Herbert Müller ist nicht mehr in der Vollversammlung der IHK. Doch auch seine Kritiker müssen nach der Meinung von Beobachtern erst noch zeigen, was sie können.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Der Zustand des Kammergebäudes der IHK Region Stuttgart ist ein Bild mit Symbolkraft: Auf der Baustelle in der Jägerstraße fielen die Mauern unter den wuchtigen Schlägen der Abrissbirne, andere Teile des Bauwerkes bleiben erhalten und werden renoviert. So ähnlich steht es auch um die Kammer selbst. Baggerbiss und Abrissbirne führten auf der Baustelle zu Erschütterungen hohen Grades – doch die Wahl war für viele Gemüter ein Beben höchsten Ausmaßes auf der nach oben offenen Richter-Skala.

 

Immerhin fünf der knapp zwei Dutzend Mitglieder des Präsidiums wurden aus der Vollversammlung gekippt, darunter Präsident Herbert Müller. Auch zwei Wochen nach der Wahl sitzt der Schock noch tief. „Ich bin sehr enttäuscht“, meint etwa Oliver Voerster, Geschäftsführer beim Stuttgarter Buchgroßhändler Koch Neff Volckmar, der seinen Sitz in der Vollversammlung und damit auch im Präsidium verloren hat. In verschiedenen Sitzungen, so ist aus der Kammer zu hören, werde nun das Ergebnis analysiert. Die neue Vollversammlung wird sich voraussichtlich im Februar konstituieren. Auch die Kammerkritiker, die 22 Sitze eroberten, müssten bis dahin noch ihre Hausaufgaben machen, meint etwa Voerster. Noch immer nämlich müssten sie mit dem Vorwurf leben, außer der Forderung nach einer Abschaffung des „Kammerzwangs“ und einer Ablehnung von Stuttgart 21 nicht all zu viele eigene Ideen zu haben.

Doch wohl schon am kommenden Wochenende werden sich die Rebellen zusammensetzen. Dass sie einen eigenen Kandidaten für das Amt des Präsidenten aufstellen, haben sie bereits angekündigt – nun wollen sie eigene Positionen etwa zur Verkehrspolitik oder zur Steuerpolitik erarbeiten. „Wir werden uns damit auch in den Ausschüssen der Kammer einbringen“ sagt Clemens Morlok, Unternehmensberater aus Ditzingen und neu in der Vollversammlung. Zudem, so meint er, solle die Energiepolitik durch einen eigenen Ausschuss aufgewertet werden.

Durch die Abwahl „bedeutender und kompetenter Mitglieder“, so findet Voerster, sei eine Lücke entstanden – nun komme es darauf an, ob die Neuen diese ausfüllen „wollen und werden.“ Dass Mitglieder aus der Vollversammlung abgewählt werden, empfindet der ebenfalls gescheiterte Rolf J. Heiler, Vorstandschef der Heiler Software AG, als „absolut demokratischen Vorgang“. Gleichwohl aber müsse gefragt werden, ob ein Wahlverfahren dazu führen dürfe, dass „wenige hundert Stimmen wahlentscheidend sind.“ Er selbst werde sich indes keinesfalls in einem in der Wahlordnung vorgesehenen Verfahren in die Vollversammlung kooptieren lassen. Ähnliches dürfte, obwohl es dazu noch keinen Kommentar gibt, auch für den bisherigen Präsidenten Herbert Müller gelten.

Damit aber braucht die Kammer einen neuen Mann an der Spitze – oder eine Frau. Schließlich hat Sylvia Dommer-Kroneberg, geschäftsführende Gesellschafterin bei der Fahnenfabrik Dommer, in ihrer Gruppe, dem produzierenden Gewerbe, selbst Manager von Daimler oder Bosch hinter sich gelassen. Doch da sie erstmals in die Vollversammlung einzieht, meint Dommer, dies sei für sie „kein Thema“. Aus der Produktion dürfte der neue Präsident indes wohl kommen. Spekuliert wird darüber, ob Matthias Kammüller antritt, Geschäftsführer beim Maschinenbauer Trumpf. Kammüller wäre ein „Eigentümerunternehmer“, hält sich aber bis jetzt bedeckt. Auch Christoph Hahn-Woernle, geschäftsführender Gesellschafter von Viastore, einem Unternehmen, das automatisierte Lagersysteme herstellt, wäre Eigentümerunternehmer. Allerdings: Als Vorsitzender des Maschinenbauverbandes VDMA in Baden-Württemberg ist er schon in einem wichtigen Ehrenamt engagiert. Auch angestellte Manager wie Ralf W. Dieter vom Lackieranlagenbauer Dürr, Bertram Kandziora vom Sägenhersteller Dürr oder Hartmut Jenner, Chef des Reinigungsgerätehersteller Kärcher, wären nach Meinung von Beobachtern respektable Vertreter des Mittelstands an der IHK-Spitze – und aus dem Mittelstand sollten die oder der Neue eben schon kommen, ist immer wieder zu hören.