Wenn sich ein Unternehmen in einem Ort ansiedeln will, spielen für die Kommunalpolitiker viele Faktoren eine Rolle. Ein Pro und Kontra.

Strohgäu - Meist siedelt sich ein Unternehmen auch im Sinne der Nachbarschaft an– doch eben nicht immer. Über die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes lässt sich streiten.

 

Pro: Wirtschaftsförderung

„Das Konzept geht auf.“ Dieser Satz stammt vom Gerlinger Kämmerer und besagt, dass die Kommune so viel Gewerbesteuer einnimmt wie noch nie. Dies hängt mit dem Steuersatz zusammen. Gerlingen hat diesen 2014 und 2015 gesenkt und liegt mit jetzt 290 Punkten unter den zehn günstigsten Kommunen im Land. Dazu kam es durch eine geschickte Aktion des Gerlinger Bürgermeisters Georg Brenner. Eine große Firma am Ort wollte eine weitere Tochter ansiedeln, die hohe Gewinne und Gewerbesteuer-Millionen versprach – aber nur, wenn der Steuersatz gesenkt würde. Brenner brachte seinen Antrag im Gemeinderat durch – ohne Firmennamen, nicht einmal in nichtöffentlicher Sitzung. Dieser stand dann in der Zeitung.

Dennoch hat Brenner (fast) alles richtig gemacht. Ebenso wie sein legendärer Vor-Vorgänger Wilhelm Eberhard. Der schaffte es Ende der sechziger Jahre in einer Geheimmission, den Bosch-Konzern von Stuttgart nach Gerlingen zu holen. Beide hätten sogar höchst fahrlässig gehandelt, hätten sie abgewunken. Es ist wichtig und richtig, wenn Stadtverwaltungen mit Firmen reden und diesen Wege in die eigenen Mauern ebnen. Auch das Halten von Unternehmen gehört dazu – ob die Wirtschaftsförderung nun vom Rathauschef alleine betrieben wird oder ob er von einem Abteilungsleiter unterstützt wird. Man muss für Gespräche mit Firmenchefs nicht das hässliche Wort Erpressung benutzen. Auch Kommunen haben Konkurrenz.

Kontra: Maß halten

Gewiss, eine Kommune ist ohne ortsansässige Wirtschaftsunternehmen und deren Gewerbesteuerzahlungen nicht lebensfähig. Doch im selben Maß sind die Firmen auf die Kommunen und deren Infrastruktur angewiesen. Verlässliche Kinderbetreuung, Naherholungsflächen, Freizeitangebote und bezahlbarer Wohnraum in Arbeitsplatznähe sind wesentlich für einen attraktiven Lebensraum ihrer Mitarbeiter. Unternehmer entscheiden bei einer Ansiedlung daher nicht nur nach Steuersätzen und der Umsetzbarkeit architektonischer Pläne, sondern auch nach dem Lebensumfeld ihrer Mitarbeiter.

Doch eine Kommune kann nicht immer selbst alles bieten in einer prosperierenden Region, in der Flächen knapp werden. Um alle Voraussetzungen für eine Neuansiedlung zu schaffen, muss daher großräumig gedacht werden. Der Mensch lebt in der Region, sein Lebensumfeld endet nicht an der Gemarkungsgrenze. So sind Kommunen auf die Nachbarn angewiesen, um für Bürger wie Unternehmer attraktiv zu sein.

Eine einzelne Kommune kann auf Unternehmenswünsche eingehen, so lange dies Konsequenzen nur auf der eigenen Gemarkung hat. Letztlich müssen dies Verwaltung und Gemeinderat entscheiden. Haben diese Wünsche aber weithin Folgen – nämlich die Herabsetzung der Attraktivität der Nachbarn – dann ist das Gleichgewicht, das Miteinander gestört. An seine Stelle tritt ein Kräftemessen, in dem der Schwächere zwangsläufig verlieren wird.