Die neue Stuttgarter Spielstätte Im Wizemann startet am Samstag mit einem Tag der Offenen Tür. Wir haben uns vorab umgesehen und zahlreiche Bilder mitgebracht.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Es ist erstaunlich, wie sehr sich ein Raum in so kurzer Zeit so stark verändern kann. Wo vor einem halben Jahr noch die Atmosphäre eines riesigen Steinbruchs dem Beobachter viel Fantasie abverlangte, sich angesichts von herausgerissenen Wänden eine neue Konzertlocation vorzustellen, ist eine Woche vor Spielbeginn im Wizemann-Areal klar, dass am Rande des Rosensteinparks ein Paradies der Popkultur entstanden ist.

 

Wo einst vom Zapata eine selbst gebastelte Bar, auf der Toilette Waschbeckensteinkunst in der Sagrada-Familia-Gedächtnis-Optik und eine Bühne in Erinnerung geblieben sind, nach deren Begehung jeder Brandschutzbeauftragte eine vierwöchige Kur zur Nervenberuhigung antreten musste, ist die neue Spielstätte im Wizemann nicht wiederzuerkennen. In einer Mischung aus Vorfreude und Nervosität führen Matthias Mettmann und Steffen Posner, die beiden Geschäftsführer der neuen Konzerthalle, die am 12. September mit einem Tag der Offenen Tür eingeweiht wird, durch die Räumlichkeiten.

Die Macht der Subwoofer

Matthias Mettmann erklärt die technischen Details, die Macht der Subwoofer, die architektonischen Bezüge zum Industriecharme aus der Vor-Zapata-Zeit. Steffen Posner, der zum Termin quasi im Nightliner angereist gekommen ist – er war das ganze Wochenende in seiner Funktion als Manager von Cro mit dem Rapper unterwegs zwischen Hamburg und Graz – , übernimmt den konzeptionellen Part. „Wir sind schon ein bisschen nervös, ob wir irgendetwas Relevantes vergessen haben. Die Gastronomie zu betreiben ist für uns Neuland, außerdem ist das ein sehr großes, personalintensives Projekt“, erklärt Posner. Gleichzeitig sei er sehr froh, dass Stuttgart als Popkonzertstadt nun wieder wettbewerbsfähig sei. „Wir wurden so oft in ganz Deutschland auf unseren Touren ausgelacht. Immer hieß es, die Stuttgarter echauffieren sich, dass keine guten Bands bei ihnen spielen, bieten aber nichts, um die Lücke zu schließen, die seit dem Wegfall der Röhre in Stuttgart existiert“, so Posner.

Wenn es um die kleinen, feinen Konzerte in Stuttgart geht, glich diese Stadt in den vergangenen Jahren einem Jammertal. Nach dem vielfach beweinten Wegfall der Röhre klaffte seit Jahren eine Lücke in der Kapazität von rund 500 Besuchern. In einer Größe also, in der Bands spielen, von denen oft die größten Impulse ausgehen. Im Wizemann gibt es mit zwei Sälen nun alle Möglichkeiten, Bands für bis zu 1600 Zuschauer und eben Künstler für 500 Gäste zu buchen. Während des Interviewtermins purzeln die Anfragen quasi im Stunden-Takt ein. Zu Beginn des Gesprächs stehen 51 Konzerte bis Anfang 2016 im Wizemann fest, am Ende des Gesprächs sind es bereits 53. Die Bandbreite reicht von Boy über Gentleman bis Frittenbude.

Ein Allstar-Team wurde hier zusammengestellt

Im herrlichen Voreröffnungs-Chaos werden To-Do-Listen abgearbeitet, die Küche für das neue Restaurant Happen im Wizemann wird angeliefert. Für das ambitionierte Großprojekt haben sich Mettmann und Posner eine Art Allstar-Mannschaft zusammengestellt. Der gastronomische Königstransfer heißt Goranco Tomeski. Tomeski war 13 Jahre lang in der Suite 212 der Fixpunkt neben Lutz Metzger, seit 2008 war er der Betriebsleiter des Lokals an der Theodor-Heuss-Straße, im Wizemann firmiert er jetzt als Betriebsleiter Gastronomie. Als Chefkoch verköstigt künftig Golo Baumann die Besucher des neuen Lokals Happen, Konzertgänger und Messebesucher – auch Messen sollen im Wizemann stattfinden. Baumann hatte zuvor in der Schankstelle gekocht und unter anderem in der Traube Tonbach gelernt.

Ein Mittagstisch für die Angestellten im Quartier

Das ehemalige Pförtnerhäuschen des Areals wurde in ein kleines Café umgebaut, für das künftig Janusch Munkwitz (Bergamo, Condesa, Paul & George) verantwortlich zeichnet. Für Munkwitz wird hier künftig Züleyha Özülker Kaffee, Selbstgebackenes und mehr in der Nahversorgungswüste rund um das Wizemann servieren. Sowohl Tomeski als auch Munkwitz glauben an das Potenzial der Ecke: „Mit Mahle und den anderen Firmen haben wir hier jede Menge Nachbarn mit einem großen Hunger“, ist sich Tomeski sicher. Das Pförtnerhäuschen soll künftig unter der Woche ab 7.30 Uhr für Kaffee und Co. sorgen, das Happen wird mit einem Mittagstisch an den Start gehen, die Konzertgänger sollen mit Fingerfood und der gastronomischen Neuerfindung „Wizza“, einer getunten Pizza, satt gemacht werden.

Großprojekt ganz ohne Förderung

Zurück zum Wesentlichen, zur großen Konzerthalle. Matthias Mettmann beschreibt die Maße der Bühne und den angestrebten Klang in der Halle mit ansteckend guter Laune in der Stimme wie ein Kind, dass sich auf die Weihnachtsbescherung freut. „Die ganze Halle geht jetzt mehr in die Breite und ist nicht mehr so schlauchartig, der Sound soll sich gleichmäßig über den ganzen Raum verteilen.“ Steffen Posner steht daneben und nickt selig lächelnd.

Eigentlich könnten die beiden noch betonen, dass sie das Großprojekt ganz ohne Förderung von offizieller Stelle gestemmt haben, dass hier eine hochwertige Spielstätte geschaffen wurde, weil ein großer Teil des finanziellen Erfolges von Cro in das Areal und nicht in private Annehmlichkeiten gesteckt wurde. Für solch große Töne sind die beiden aber zu smart. Sie lassen ab jetzt lieber das Areal für sich sprechen.