Ein Konzert vor dem Hauptterminal des künftigen Berliner Flughafens BER soll das Image der Baustelle verbessern. Dies gelingt aber nur zum Teil.

Berlin - Im Rucksack trägt Ingrid Schubert ein wasserdichtes Cape bei sich, den Schirm und ein gelbes Sitzkissen, das sich zu einem kleinen Rechteck zusammenfalten lässt. Den Regenschutz wird sie nicht brauchen, bald wird die Sonne sich wieder durchsetzen. Und das Brandenburgische Sommerkonzert, zu dem sie im Shuttlebus unterwegs ist, findet diesmal unter dem schützenden Vordach des großen Terminals auf dem künftigen Hauptstadtflughafen BER statt. Hier sollen irgendwann einmal die Passagiere vorfahren, an dieser eleganten Konstruktion gibt es nichts zu bemängeln. Das Desaster beim 5,4-Milliarden-Neubau des BER hat eine junge Erfinderin zu einem gerade auf den Markt gekommenen satirischen Quartettspiels inspiriert. Auf 40 Spielkarten listet sie Pleiten und Pannen auf. Die üblichen 32 Quartettkarten hätten nicht ausgereicht.

 

Frau Schubert hat die Gründe für bislang vier Verschiebungen des Eröffnungstermins eher am Rande verfolgt, denn „wer weiß, ob ich jemals vom BER abfliegen werde“. Von Schwierigkeiten und Kostensteigerungen hat die Rentnerin bei fast allen Großbauprojekten in der Republik gehört. Den Flughafen kennt sie bislang nur von Weitem und will sich jetzt ein Bild machen. Vor dem Konzert hat sie noch eine Führung per Bus durch das Flughafengelände gebucht. So viel vorab: sie ist empört, dass bei der Auftragsvergabe Korruption im Spiel gewesen sein soll. Das sei dreist, „wo das bei uns in Deutschland ja früher oder später ans Licht kommt“.

Korruption? Das fliegt doch in Deutschland alles auf

Der Oberstaatsanwalt sichtet derzeit die sichergestellte „sehr hohe fünfstellige Anzahl von E-Mails und noch mal so viele Dokumente“; der Verdacht gegen einen gefeuerten Manager und zwei weitere Personen, beim Bestellen der Brandschutzanlage gemauschelt zu haben, erhärtet sich offenbar. Das kommt bei der Führung im Bus nicht vor. Die Angestellte der Flughafengesellschaft spricht von den künftig 45 Millionen Fluggästen jährlich und den 360 000 Flugbewegungen. Nur eine halbe Stunde benötige der Airportexpress vom Hauptbahnhof zum BER. In der Ferne zeigt sie auf den stecknadelgroßen Fernsehturm am Alexanderplatz. Auf der vier Kilometer langen, 60 Meter breiten Start-und-Lande-Bahn legt die Busfahrerin einen Zahn zu und Ingrid Schubert den Sicherheitsgurt an. Ein Bussard fliegt auf, ein Reiher und auch zwei Kraniche ziehen vorbei. Der BER, heißt es, hat nach Düsseldorf nicht nur den zweithöchsten Flugsicherungstower mit eingebautem Fitnesscenter für die Lotsen, sondern auch einen Vogelvergrämer, der mit Platzpatronen Tiere verscheucht.

Bald werden Jazz und ein Potpourri von Opermelodien der Big Band der Deutschen Oper die Tauben vertreiben, die es sich in Lampenfassungen des Vordachs bequem machen. Aber vorher bleibt noch Zeit für einen Gang durch das Hauptterminal. Frau Schubert ist angetan vom vielen Holz und Glas; andere Flughafengebäude mit Massen von grauem Beton gefallen ihr längst nicht so gut. Sie schaut auf die flackernde Anzeigetafel mit Flügen etwa nach Istanbul, Rhodos oder Dublin, die jetzt vom BER starten würden – wenn. Der Rundgang führt über eine Bahn von grauem Filz und Sperrholzplatten. Das soll die Natursteinplatten auf dem Boden schützen. Ein Besucher, der sich offenbar auskennt auf der Dauerbaustelle, macht auf die feinen Risse aufmerksam, die längst vor der Eröffnung des BER manche dieser Platten durchziehen. Schon seien Platten ausgewechselt worden, alle anderen mit Rissen müssten noch folgen. Es gehe weiterhin drunter und drüber auf der Baustelle, verrät der Mann.

Es mangelt an geeigneten Bewerbungen

Vielleicht auch deshalb finden die Betreiber weltweit keinen neuen Generalplaner, der „Planrestleistungen“ für das Hauptterminal übernehmen sollte. Es mangelt an geeigneten Bewerbungen.

Fast 1800 Gäste nehmen Platz zum Konzert, Motto „Abheben mit Musik“. Ehrengast und Hausherr Hartmut Mehdorn begrüßt die Besucher, die Big Band beginnt fast pünktlich. „Eine teure Location für so eine Veranstaltung“, sagt eine Frau in der Reihe hinter Ingrid Schubert. Die breitet ihr gelbes Sitzkissen auf einem der Klappstühle aus, wippt mit im Takt und ist zufrieden, dass der viel geschmähte Flughafenchef Mehdorn außer Buhrufen am Ende auch etwas Applaus erntet.