Nach dem Putschversuch sollen viele Imame in die Türkei zurückbeordert oder entlassen worden sein, auch aus Deutschland. Zwei von ihnen wehren sich. Ein Kölner Gericht macht ihnen jedoch wenig Hoffnung.

Köln - Es geht formal nur um eine Kündigungsschutzklage, doch der bundesweit erste Fall dieser Art ist auch politisch brisant. Die Akteure vor dem Kölner Arbeitsgericht: Zwei Imame aus Baden-Württemberg, die sich gegen ihre Entlassung aus Ditib-Moscheegemeinden mit einer Klage zur Wehr setzen. Und die mächtige Türkisch-Islamische Union Ditib, größter Islam-Dachverband in Deutschland, als prominente Beklagte. Die beiden Imame haben nach dem Putschversuch in der Türkei ihren Job in den Moscheegemeinden verloren. Laut Kölner Gericht wurden die Religionsgelehrten per Ministerialerlass der türkischen Republik vom 15. August 2016 ihrer Ämter enthoben.

 

Das Verfahren lässt sich schwerlich losgelöst von den politischen Umwälzungen in der Türkei betrachten. Dennoch: Der Kölner Richter Christoph Ehrich stellt zu Verhandlungsbeginn am Freitag klar: In seinem Gerichtssaal kann es nicht um türkische Gesetze, Erlasse oder die viel kritisierten engen Verflechtungen zwischen der Ditib und der türkischen Führung gehen. Dreh- und Angelpunkt ist allein die Frage, ob die Ditib als Arbeitgeber einzustufen ist und als solche den Imamen nachweislich arbeitsrechtliche Anweisungen gegeben hat.

Und daran habe er „durchgreifende Zweifel“, sagt der Richter. Es handele sich um Beamte des türkischen Staats, geschickt aus Ankara von der Religionsbehörde Diyanet, bezahlt von türkischen Generalkonsulaten. Ditib-Rechtsvertreter Mehmet Günet rechnet daher mit einer Klage-Abweisung am 7. April. „Der Ditib-Moscheeverein ist der falsche Ansprechpartner. Die beiden Imame müssten in der Türkei den Klageweg gegen die Diyanet suchen“, sagt Günet. Aber hier liegt das Dilemma.

Betroffene Imame haben Asylantrag gestellt

„Meine Mandanten können nicht in die Türkei zurückkehren, sie haben Angst, dass sie dort inhaftiert werden“, schildert ihr Anwalt Tuncay Karaman. „Sie haben von anderen Imamen erfahren, die einer Aufforderung der Diyanet zur Rückkehr gefolgt sind und noch am Flughafen festgenommen wurden.“ Die beiden Imame haben in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Am Freitag waren sie nach Köln gekommen, zeigten sich aber nicht. Im Verfahren wird bekannt, dass zumindest einer der beiden aus dem badischen Rheinfelden kommt. Der Anwalt will dazu keine Angaben machen.

Die Ditib steht derzeit - unabhängig vom Prozessausgang - wegen ihrer großen Nähe zur türkischen Führung in keinem guten Licht. Der Bund und vor allem Nordrhein-Westfalen fordern eine strikte Abnabelung von Ankara und der Behörde Diyanet. Diese entsendet alle rund 900 Imame auf Zeit nach Deutschland. Und exakt an dieser Konstruktion könnte die Klage der beiden Imame nun scheitern.

Einer der Geistlichen kam 2013, der andere 2014 nach Deutschland, wie ihr Anwalt Karaman schildert. Von einem Tag auf den anderen seien sie jetzt vor die Tür gesetzt worden. Seine Mandaten seien immer im Dienst der Ditib und auf deren Anweisung tätig gewesen. „Ihre Entlassungen haben durchaus einen politischen Hintergrund“, glaubt er. „Der Ditib-Verband ist eine Tochtergesellschaft der türkischen Regierung.“ Ditib-Anwalt Günet sagt dazu, er kenne die Gründe für den „Rückruf“ der Imame in die Heimat nicht.

Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Spionageverdachts

Kritiker sehen die Ditib als verlängerten Arm des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ditib, die Religionsbehörde Diyanet und die türkischen Generalkonsulate sind eng miteinander verflochten. Mindestens 13 Ditib-Imame haben laut NRW-Verfassungsschutz auf Anweisung der Diyanet Namen angeblicher Anhänger von Erdogan-Erzfeind Fethullah Gülen an Generalkonsulate geliefert. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Spionageverdachts. Die NRW-Regierung hat die Zusammenarbeit mit der Ditib auf Eis gelegt.

In manchen Ditib-Moscheegemeinden wächst die Anspannung. „Liberal orientierte Imame werden klammheimlich abgezogen“, sagt die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds, Lamya Kaddor. Die „Welt“ berichtete kürzlich über viele geschasste Imame, für die der Kölner Prozess ein „Strohhalm“ bedeute. Der Verhandlungsstart dürfte für sie keine frohe Botschaft sein.