In Großstädten gibt es mehr Solo-Haushalte als Familien. Der Trend zur Vereinzelung hat sich enorm beschleunigt, belegen neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Phänomen ist noch nicht alt. Aber es prägt die Gesellschaft zusehends. Die Duden-Redaktion hat den Begriff „Single“ erst 1993 in ihr Wörterbuch aufgenommen. Der Münchener Soziologe Ulrich Beck hatte ihn paar Jahre zuvor erfunden und in seinem Buch „Das ganz normale Chaos der Liebe“ beschrieben. Inzwischen hat sich der Trend zum Singledasein enorm beschleunigt. Inzwischen lebt in Deutschland jeder Fünfte allein. Der Anteil der Solisten ist seit der Wende um 40 Prozent gestiegen. In Deutschland und Schweden ist die Vereinzelung der Gesellschaft am weitesten vorangeschritten. Diesen Befund erschließt das Statistische Bundesamt aus den Ergebnissen des Mikrozensus 2011. Ein Prozent der Bevölkerung wurden für diese Stichprobe befragt. Hier folgen die wichtigsten Erkenntnisse:

 

Alleinsein ist in

Familien repräsentieren nicht mehr die Mehrheit in Deutschland. Inzwischen leben nur noch 49,1 Prozent in so genannten Eltern-Kind-Gemeinschaften. Knapp 30 Prozent der Bevölkerung sind kinderlose Paare, etwas mehr als 20 Prozent Singles. Davon wohnen die meisten (15,9 Millionen Bundesbürger) alleine, nur ein geringer Anteil (1,7 Millionen) in Wohngemeinschaften oder Wohnheimen. Wegen der höheren Lebenserwartung von Frauen gab es schon immer mehr alleinstehende Witwen als Rentner, die solo leben. Inzwischen hat der Trend zum Singledasein aber auch die Männerwelt erfasst. Die Zahl der alleinlebenden Männer stieg in den zurückliegenden zwanzig Jahren um 81 Prozent, die der Singlefrauen nur um 16 Prozent.

Städte sind Singlehochburgen

Deutschland hat mit die höchste Singlequote in Europa. Nur in Schweden (24 Prozent) ist sie noch höher. Der europaweite Durchschnitt liegt bei 13 Prozent. Das entsprach dem deutschen Niveau vor zwanzig Jahren. Die meisten Länder im Süden und an der östlichen Peripherie der EU liegen deutlich darunter. Dort sind offenbar die Familienstrukturen noch eher intakt. In den Stadtstaaten leben überproportional viele Menschen allein. Da liegt die Singlequote um die 30 Prozent. Das bedeutet aber, dass in jeder zweiten Berliner oder Hamburger Wohnung nur einer zuhause ist. Deutschlands Singlehochburg ist Hannover. Jeder Dritte lebt dort allein. In Stuttgart liegt der Anteil bei 26 Prozent. Es gibt große Unterschiede zwischen den Metropolen und den Flächenländern. So ist die Singlequote in Baden-Württemberg (17,3 Prozent) mit am geringsten. Hier verläuft die Singularisierung der Gesellschaft auch deutlich langsamer als in anderen Bundesländern. Der Anteil der Alleinstehenden hat binnen zwei Jahrzehnten um zwei Prozentpunkte zugenommen, in Mecklenburg-Vorpommer um zwölf Punkte.

Junggesellen und Witwen

Männer leben seltener allein als Frauen. Das gilt aber nur für den Querschnitt der Bevölkerung, nicht für alle Altersgruppen. Bis Mitte 50 ist es umgekehrt. Jüngere Männer führen häufiger einen Einpersonen-Haushalt als gleichaltrige Frauen. Erst in höherem Alter kehrt sich das um. Frauen über 80 sind überwiegend allein, die meisten von ihnen verwitwet. Bei den Männern dieser Jahrgänge liegt der Singleanteil nur um die 25 Prozent. Allerdings zeichnet sich ein neuer Trend ab. Vor zwanzig Jahren war ein Großteil der Frauen über 70 allein, inzwischen sind es nur noch 35 Prozent.

Hotel Mama bleibt attraktiv

Nur wenige junge Menschen verlassen das Elternhaus, wenn sie erwachsen werden. 94 Prozent der Volljährigen bleiben erstmal dort wohnen. Mit 20 liegt der Anteil derer, die sich schon selbstständig gemacht haben, bei 25 Prozent. Unter den 30-Jährigen nutzen nur noch zehn Prozent dauerhaft das „Hotel Mama“. Etwa ein Viertel der jungen Leute zwischen 18 und 35 sind tatsächlich Single. Jeder Fünfte ist bereits verheiratet, 16 Prozent leben dauerhaft mit einem Partner zusammen, ein Drittel zuhause bei den Eltern. Dieser Anteil ist seit Mitte der neunziger Jahre sogar noch deutlich gewachsen.

Die Risiken des Singledaseins

Alleinsein ist offenbar riskant. 30 Prozent der Singles leben in prekären Verhältnissen – sie sind von Armut gefährdet, wie Sozialwissenschaftler das auszudrücken belieben. Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Menschen, die alleine leben, sind auch überdurchschnittlich häufig auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Es gibt mehr Arbeitslose unter den Alleinstehenden. Das gilt vor allem für Männer mittleren Alters. Im Alter von 35 bis 64 gehen 74 Prozent der Singles einer Erwerbstätigkeit nach. Bei den Gleichaltrigen Männern, die nicht allein leben, sind es 85 Prozent.