Die Bungalowsiedlung auf dem Stuttgarter Killesberg sorgt wieder für Aufsehen. Der Bund will das denkmalgeschützte Ensemble an den Höchstbietenden veräußern. Stuttgarts Oberbürgermeister Kuhn ist dagegen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Ende vergangenen Jahres hat eine Bungalowsiedlung auf dem Killesberg gleich doppelt für Aufsehen gesorgt. Erstens wurde bekannt, dass die zwölf Häuser stark mit Radon belastet sind, einem natürlich vorkommenden radioaktiven Edelgas. Zweitens verstärkte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ihre Anstrengungen, das Ensemble zu verkaufen, obwohl die Häuser unter Denkmalschutz stehen. Sie waren 1955/56 vom Architekten Werner Gabriel für Angehörige des US-Konsulats gebaut worden. Daher der Name: Diplomatensiedlung.

 

Jetzt scheinen die Verkaufsgespräche in die entscheidende Phase gelangt zu sein. Unter allen Interessenten hat ein Unternehmen, das im Stuttgarter Raum aktiv sei, den höchsten Kaufpreis in Aussicht gestellt; Gerüchten zufolge geht es um eine Summe zwischen acht und zehn Millionen Euro. Michael Scharf vom Stuttgarter Büro der Bima bestätigt die Verhandlungen mit dem Höchstbietenden. Als Bundesanstalt sei man verpflichtet, den größtmöglichen Erlös anzustreben, wenn keine zwingenden Gründe dagegen sprächen.

Kuhn schreibt an den Bundesfinanzminister

Das Angebot der bisherigen Mieter, das bei fünf Millionen Euro liegt, wurde deshalb bereits als unzureichend abgelehnt. Gernot Stollhoff, einer der Mieter, kann dies nicht verstehen. Die Bietergemeinschaft, die sich aus sechs Mieterfamilien und sechs externen Familien zusammensetzt, hätte garantiert, dass der Denkmalschutz gewahrt bleibe und dass das Ensemble als Einheit erhalten werde. Ein Investor, der eine fast zweistellige Millionensumme aufbringe, müsse dagegen vor allem sehen, dass sich das Objekt rechne. Michael Scharf akzeptiert diesen Einspruch nicht. Die Pflichten des Denkmalschutzes gälten schließlich für jeden Käufer.

Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) hat sich nun allerdings auf die Seite der Mieter gestellt. In einem Brief an Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bittet er den Bund, die Mieter zum Zuge kommen zu lassen. Denn deren Angebot sei ein gelungenes Beispiel dafür, wie denkmalgeschützte Bausubstanz erhalten, wie eine gewachsene soziale Struktur bewahrt und wie zugleich Wohneigentum gebildet werden könne. Eine Antwort aus Berlin gibt es noch nicht. Die Mieter, so Stollhoff, hätten übrigens keine Angst vor einer Kündigung; sehr wohl aber davor, dass die Miete nach einer Sanierung stark steige. Bisher ist die Miete für die gehobene Wohnlage auf dem Killesberg sehr günstig.

Auch das Problem der Radon-Strahlung ist noch nicht gelöst. Die Mieter ärgern sich, dass die Bima eine Langzeitmessung veranlasst hat: „Das wird überhaupt keine neuen Erkenntnisse bringen“, so Gernot Stollhoff. Er sieht darin nur eine Hinhaltetaktik des Bundes. Denn schon längst wisse man, dass die radioaktive Strahlung zu hoch sei – in den Wohnzimmern wurden bis zu 448 Becquerel pro Kubikmeter gemessen, in den Kellern sogar bis zu 2300. Die Strahlenschutzkommission empfiehlt, Wohnräume ab 200 Becquerel pro Kubikmeter sanieren zu lassen.

Gernot Stollhoff hat das längst auf eigene Rechnung getan. Im Keller hat der Physiker einen Toilettenventilator eingebaut, wodurch sich die Werte mehr als halbiert hätten, da die radonhaltige Luft nach draußen transportiert wird. „Die Langzeitmessung kostet somit mehr als die Sanierung“, wundert sich Stollhoff.