Das Eigenheim hoch im Kurs. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine große Lücke.

Stuttgart - Jeder zweite 20- bis 30-Jährige in Deutschland ist an einer eigenen Immobilie interessiert. Jeder Vierte hat bereits öfter darüber nachgedacht und konkrete Vorstellungen entwickelt. Dafür werden durchschnittlich im Monat 330 Euro gespart. Das hat eine repräsentative Umfrage bei 2155 Berufstätigen zwischen 20 und 30 Jahren ergeben, die das Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag der Allianz Deutschland durchgeführt hat. Von der eigenen Traumimmobilie hat nach der Studie jeder Vierte, für den ein Eigenheim in Frage kommt, schon konkrete Vorstellungen: Die meisten wünschen sich ein frei stehendes Einfamilienhaus (36 Prozent), in dem sie zusammen mit ihrer Familie wohnen (47 Prozent) und im Garten Obst und Gemüse anbauen können (36 Prozent) - am liebsten in Stadtrandlage (20 Prozent).

 

Die erste Immobilie wird zwischen 40 und 50 erworben

Die Realität sieht in der Landeshauptstadt und in der Region allerdings ganz anders aus. „Momentan können es sich nur die wenigsten Familien mit Kindern leisten, in Stuttgart oder am Stadtrand Immobilieneigentum zu erwerben”, bringt es Roland Kessel, Geschäftsführer der Volksbank Stuttgart Immobilien, auf den Punkt. Unter 550 000 bis 600 000 Euro sei kaum eine Immobilie in der Landeshauptstadt zu finden, in der zum Beispiel eine vierköpfige Familie leben könnte. Von einem frei stehenden Einfamilienhaus ganz zu schweigen. Letztendlich sei da auch die Wohnraumförderung für junge Familien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Der Großteil der Finanzierung bleibt trotzdem an der Familie hängen”, so Kessel. Wer da nicht zu den Spitzenverdienern zählt, könne sich die meisten der derzeit auf dem Markt befindlichen Immobilien nicht mehr leisten, selbst wenn mit den derzeitigen günstigen Hypothekenzinsen kalkuliert würde. Dass merke man auch daran, dass die Immobilienkäufer heute deutlich älter sind als noch vor ein paar Jahren. Heute wird im Durchschnitt zwischen 40 und 50 Jahren die erste Immobilie erworben.

Vor einigen Jahren war der durchschnittliche Immobilienkäufer noch unter 30 Jahre alt. Wer dennoch in jungen Jahren eine Immobilie kauft, hat entweder geerbt oder wird von den Eltern unterstützt, ist die Erfahrung des Immobiliennmaklers. Das bestätigt auch die jüngste Allianz-Studie: Knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) erwartet eine Immobilienerbschaft - von den Eltern, den Großeltern oder weiter entfernten Verwandten. Allerdings kann sich nur jeder Vierte der künftigen Erben vorstellen, selbst in diese Immobilie einzuziehen. Mehr als die Hälfte würde das Erbe eher vermieten (33 Prozent) oder wahrscheinlich sogar verkaufen (21 Prozent). Einen anderen Trend skizziert die aktuelle Wohneigentumsstudie von TNS Infratest und LBS Research im Auftrags des Bundesbauministers. Danach wurden über 70 Prozent der in den letzten vier Jahren neu oder gebraucht gekauften Eigenheime und Eigentumswohnungen in den bundesdeutschen Ballungsgebieten erworben. Auch wenn offizielle Statistiken noch nicht von einem Trend sprechen wollen: Wer es sich leisten kann, zieht längst in die großen Städte oder an den Stadtrand - auch in der Region Stuttgart. Für das Wohnen in der Stadt ist man auch bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, sofern man das richtige Objekt findet. Das kann unter Umständen dauern.

Mit der Dauer der Suche ändern sich auch die Ansprüche

So berichten Makler aus Stuttgart, dass manche ihrer Auftraggeber bis zu zwei Jahre gesucht hätten, bis endlich das richtige Objekt für sie dabei war. Anders geht es schneller: Wer derzeit in der Landeshauptstadt oder deren Peripherie eine Immobilie veräußern will, kann mit etwas Glück in wenigen Wochen schon den Vertrag beim Notar unterschreiben, weiß Kessel. Früher konnte es schon mal sechs Monate dauern, bis eine Immobilie den Besitzer wechselte. „Dass der Markt praktisch leergefegt ist, liegt heute vor allem daran, dass die Verkäufer aufgrund von geringen Renditen bei Geldanlagen derzeit nicht wissen, was sie mit dem Geld tun sollen”, vermutet der Immobilienexperte. Selbst in der Region sei das Angebot mittlerweile sehr ausgedünnt, weil die Leute einfach abwarten. Das erschwere die Suche nach der Wunschimmobilie zusätzlich, weiß Kessel. „Mit der Dauer der Suche ändern sich auch die Ansprüche. Wenn die Käufer sehen, dass sich das frei stehende Einfamilienhaus mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht realisieren lässt, dehnen sie die Suche auf Doppelhaushälften und Reihenhäuser aus. Manchmal ist auch nur eine Eigentumswohnung realisierbar, wissen Kessel und seine Kollegen.

Während die Motive für den Erwerb von Immobilieneigentum landläufig mit Altersvorsorge oder Inflationsschutz erklärt werden, kommt die Allianz-Studie zu dem überraschenden Schluss, dass der Wunsch nach Wohneigentum bei den heute 20- bis 30-Jährigen weniger finanziell als individuell motiviert ist. So geben jeweils 77 Prozent der Befragten als Begründung an, dass sie sich ein eigenes Heim für sich und ihre Lieben wünschen und es ganz nach ihrem eigenen Geschmack gestalten möchten. Mietfreiheit (75 Prozent), Altersvorsorge (71 Prozent) und sichere Geldanlage (60 Prozent) werden erstaunlicherweise erst nachrangig genannt. Fast jeder Zweite (48 Prozent) hält dieses Wohnziel auch für realistisch. Deutlich weniger junge Menschen rechnen damit, dass sie sich im ersten Schritt lediglich eine Eigentumswohnung im Neubau (18 Prozent) oder im Altbau (14 Prozent) leisten können. Jeder Dritte, für den der Erwerb einer Immobilie infrage kommt, möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre in die eigenen vier Wände ziehen. Bei denen, die bereits konkret planen, soll es noch schneller gehen: Von ihnen rechnen 34 Prozent mit dem Kauf ihres Eigenheims schon binnen drei Jahren. Schon heute spart bald die Hälfte (49 Prozent) der 20- bis 30-Jährigen, die sich für eine eigene Immobilie interessieren, für die eigenen vier Wände - im Durchschnitt 330 Euro im Monat. Roland Kessel empfiehlt, vor der Suche nach einer Immobilie erst das Gespräch mit einem Kreditinstitut zu suchen. Dort kann der finanzielle Rahmen schon mal abgesteckt werden.

„Wenn dann die Traumimmobilie plötzlich vor einem steht, weiß man gleich, ob man sie sich leisten kann oder ob man weitersuchen muss”, erklärt Kessel. Denn muss der Immobilienkäufer bei seiner Bank erst noch den Finanzierungsrahmen abklären, kann wertvolle Zeit verstreichen, in der vielleicht ein anderer Käufer einem die Lieblingsimmobilie vor der Nase wegschnappt.