Die Deutsche Bahn hat Kaufangebote etablierter Investoren für ein Grundstück hinter dem Hauptbahnhof als zu niedrig abgelehnt. Jetzt stellt sich die Frage nach der künftigen lukrativen Nutzung des Baufeldes 5.

Stuttgart - Bisher habe die Bahn bei der Vergabe der Baufelder im Europaviertel noch auf die Folgen für die Stadtentwicklung geachtet. Nun scheine es jedoch so, als wolle der Konzern mit den restlichen Baufeldern schlicht Kasse machen. So oder so ähnlich lauten die Bedenken von Immobilienexperten und Kennern der Grundstücksverkäufe mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen auf dem A1-Areal nördlich des Hauptbahnhofs. Die Angebote mehrerer namhafter Investoren sollen von der Bahn mit dem Verweis abgelehnt worden sein, sie seien ihr nicht lukrativ genug.

 

Offenbar haben sich die Preisvorstellungen in Bezug auf die Grundstücke des ehemaligen zentralen Güter- und Rangierbahnhofs stark nach oben entwickelt. Wo heute das Milaneo und die Stadtbibliothek stehen, waren die Bauflächen zwar noch nie günstig. Doch die aktuellen Angebote überraschen auch Experten. Offenbar steht die Vergabe von Baufeld 5 direkt an der Heilbronner Straße kurz bevor. Auf dem Gelände kann das letzte Hochhaus des Areals, ähnlich dem Luxuswohnturm Cloud No 7 erstellt werden. Bei der Bahn sollen nach Informationen von Branchenkennern Gebote von bis zu 20 Millionen Euro eingegangen sein. „Die meisten Summen bewegen sich im Bereich von etwa zwölf Millionen Euro“, so ein Fachmann.

Das Bibliothek-Grundstück kostete 2,5 Millionen Euro

Zum Vergleich: nach den Angaben von Mitbewerbern hat Tobias Fischer, der Bauherr des Cloud No 7, in dem die Wohnungen bis zu 14 000 Euro pro Quadratmeter kosten, für sein vergleichbares Hochhausgrundstück im Jahr 2007 rund zehn Millionen Euro bezahlt. Die Stadt selbst hat für das 3200 Quadratmeter große Baufeld der Bibliothek im Oktober 2003 rund 2,5 Millionen Euro bezahlt.

Auf die Frage, nach welchen Gesichtspunkten die Bahn Baufeld 5 veräußern will, erklärte ein Sprecher: „Es erhält der Bieter den Zuschlag, der das für den Eigentümer wirtschaftlichste Kaufangebot vorlegt.“ Zum aktuellen Verkauf heißt es: „Auf die öffentliche Ausbietung des Baufeldes 5 hin sind in unserem Haus fristgerecht Kaufangebote eingegangen.“ Mit den Bestbietern würden Gespräche geführt. Nach Aussage der Bahn habe man die Maßgaben für den Verkauf der Grundstücke nicht verändert.

Zwei der namhaftesten Interessenten für das letzte Hochhausgrundstück werden an diesen Gesprächen allerdings gar nicht teilnehmen. Tobias Fischer hat auf Anfrage erklärt, dass er nach der Ablehnung seines Angebots kein weiteres Interesse mehr habe. Auch die Fay Projects GmbH, verantwortlich für den Bau des Bürogebäudes Europe Plaza unweit der Stadtbibliothek, ist bei Baufeld 5 nicht mehr im Rennen. „Wir sind aus dem Verfahren ausgeschieden, weil wir nach Mitteilung der Bahn zu wenig geboten haben“, so Ralph Esser, einer der Geschäftsführer des Unternehmens. Zur konkreten Höhe des Angebots schweigt sich Esser aus, sagt aber: „Wir haben deutlich mehr geboten als seinerzeit für das Baufeld 10.“ Er fügt an: „Wir haben uns für unser Konzept sehr weit aus dem Fenster gelehnt.“

Welche Nutzung könnte lukrativ sein?

Angesichts dieser Entwicklung drängt sich bei Branchenkennern die Frage auf, was angesichts dieser Grundstückspreise auf dem Grundstück zwischen Milaneo, Bibliothek und Heilbronner Straße am Ende gebaut werden könnte. Schließlich sollten die Kosten bei der Vermarktung über extrem hohe Preise wieder reingeholt werden, damit sich die Investition rechne, so die Logik von Immobilienexperten. Zudem könne man sich kaum vorstellen, welche Nutzung mehr Rendite abwerfen könne als etwa das Luxushochaus Cloud No 7, dessen Grundstück im Vergleich zu aktuellen Werten fast schon preiswert erworben wurde.

In anderen Großstädten, in denen die Immobilien- und Grundstückspreise rasch gestiegen sind, ist das Problem der sogenannten „kalten Betten“ bekannt. Luxusimmobilien stehen großteils leer, da sie allein zum Zweck der Geldanlage gebaut und gekauft werden. Gleichzeitig aber ist ein erheblicher Teil der Bürger aufgrund der hohen Preise vergebens auf der Suche nach bezahlbaren Miet- und finanzierbaren Eigentumswohnungen.

Die Stadt sieht sich in Bezug auf Baufeld 5 nicht in der Pflicht. „Aus unserer Sicht gibt es aktuell keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen“, erklärt ein Sprecher der Verwaltung auf StZ-Anfrage. Was auf dem fraglichen Grundstück tatsächlich entstehen soll, müsste sich in absehbarer Zeit herausstellen. Die Bahn lässt sich nach Informationen der Stuttgarter Zeitung derzeit von den noch im Rennen liegenden Interessenten deren Pläne erläutern. Danach soll alles recht schnell gehen. „Angestrebt wird ein Kaufvertragsabschluss im Jahr 2015“, erklärt ein Bahnsprecher auf Anfrage.