Stuttgart nehme deutlich zu wenig Geld in die Hand, um die Wohnungsnot zu ­lindern, kritisieren gleich ­mehrere Institutionen. Tatsächlich erscheinen die im Haushalt eingestellten Mittel dürftig. Ein Städtevergleich.

Stuttgart - Um die Wohnungsnot effektiv zu lindern, nimmt die Landeshauptstadt zu wenig Geld in die Hand – diese Kritik kommt aktuell gleich von mehreren Seiten. Sowohl im Städtebauausschuss als auch bei der Eigentümerlobby Haus und Grund wird bemängelt, dass Stuttgart zu wenig in den Wohnungsbau investiere. Tatsächlich erscheinen die im Haushalt eingestellten Mittel im Vergleich zu anderen Kommunen dürftig. Ein Beispiel: während in München 175 Millionen Euro pro Jahr fließen, sind es in Stuttgart weniger als fünf Millionen Euro.

 

„Muss die Stadt die Förderung des Landes und des Bundes beim sozialen Wohnungsbau besser ergänzen? Ich glaube: ja.“ Diese Aussage fiel in der jüngsten Sitzung des Städtebauausschusses und stammt vom ehemaligen Dekan der Architekturfakultät der Universität Stuttgart, Tilmann Harlander. Wenn die Stadt nicht mehr Geld in die Hand nehme, würden in Stuttgart auf absehbare Zeit nicht ausreichend günstige Wohnungen gebaut werden, so der Wissenschaftler.

Kritik von Haus und Grund

Ähnlich lautet die Kritik des Eigentümervereins Haus und Grund. „Der von der schwarz-grünen Mehrheit verabschiedete städtische Haushalt offenbart, dass das brennende Thema Wohnen in der Stadt und die hohen Wohnkosten – abgesehen von den notwendigen Aufwendungen für die Flüchtlingsunterbringung – nur eine untergeordnete Rolle spielen“, sagt der Vereinsvorsitzende Klaus Lang. OB Kuhn (Grüne) verkenne damit den Blick für die wahren Probleme in Stuttgart, so Lang weiter.

Bei einem Vergleich zeigt sich, dass die Ausgaben in der Landeshauptstadt für den Wohnungsbau im Verhältnis tatsächlich geringer sind, als die anderer Kommunen: Der Spitzenreiter unter den deutschen Städten bei der Wohnbauförderung ist München (rund 1,4 Millionen Einwohner). Die Stadt bezeichnet den Beschluss „Wohnen in München III“ aus dem Jahr 2001 auf StZ-Anfrage ohne Bescheidenheit als „größtes wohnungspolitisches Handlungspaket aller deutschen Kommunen“. Von 2001 bis 2014 hat die Stadt mehr als eine Milliarde Euro aus dem eigenen Haushalt in die Wohnbauförderung investiert. 2014 waren es 175 Millionen Euro.

Eine Stadt, die sich aufgrund ihrer Größe noch besser mit Stuttgart vergleichen lässt, ist Frankfurt am Main (717 000 Einwohner). Mark Gellert, Sprecher des Planungsdezernats, erklärt: „Wir haben derzeit jährlich 45 Millionen Euro für unsere kommunale Wohnungsbauförderung zur Verfügung.“ Zusätzlich stünden in der hessischen Metropole jährlich fünf Millionen Euro „für den Erwerb von Belegungsrechten“ bereit. Damit sichert sich die Stadt den Zugriff auf Wohnungen, um dort etwa Menschen mit geringen Einkommen unterbringen zu können.

Heidelberg hat ein Wohnungsentwicklungsprogramm

Auch in kleineren Städten werden erhebliche Mittel für die Wohnbauförderung bereitgestellt. Heidelberg mit seinen 154 000 Einwohnern hat ein sogenanntes „Wohnungsentwicklungsprogramm“ aufgelegt. Aktuell hat das Programm einen Finanzrahmen von jährlich 2,2 Millionen Euro. Die Ausgabenhöhe variiert von Jahr zu Jahr. So kamen die Heidelberger nach eigenen Angaben im Jahr 2013 bereits auf insgesamt 2,7 Millionen Euro. Und die Förderung scheint effektiv zu sein. In den vergangenen Jahren wurden in der Stadt jeweils zwischen 800 und knapp 1000 neue Wohnungen gebaut. Zum Vergleich, in Stuttgart mit seinen rund 600 000 Einwohnern entstehen derzeit pro Jahr rund 1800 neue Wohneinheiten.

Vergleicht man nun die Ausgaben der Landeshauptstadt mit denen der anderen Kommunen, erscheint die Kritik aus dem Städtebauausschuss und von Haus und Grund berechtigt. In den vergangenen Jahren lagen die Ausgaben für den geförderten Wohnungsbau der Landeshauptstadt jeweils zwischen 3,8 Millionen Euro im Jahr 2011 und 2,2 Millionen (2014). Im Jahr 2015 betrug die Summe dann elf Millionen Euro – allerdings hatten fast alle Bauunternehmen ihre Projekte von 2014 auf 2015 verschoben, um von einer Verbesserung der Landesförderung zu profitieren.

Stadt will mit den Flächen „intelligent“ vorgehen

Nach dem jüngst beschlossenen Doppelthaushalt für die Jahre 2016 und 2017 sind jährlich 4,75 Millionen Euro an direkter Förderung geplant. Zusätzlich werden pro Jahr 500 000 Euro für den Erhalt auslaufender Sozialbindungen bereitgestellt. Damit ist die Landeshauptstadt allerdings nicht in der Lage, neue Belegungsrechte nach dem Beispiel Frankfurts zu erwerben.

Zudem sind im Haushalt pro Jahr 8,5 Millionen Euro an geringeren Erlösen beim Verkauf städtischer Grundstücke eingerechnet. Dabei handelt es sich allerdings nicht um städtische Ausgaben sondern um den Verzicht auf erwartete Einnahmen. Auf den günstigeren Grundstücken sollen Investoren geförderte Wohnungen bauen. „Das ist richtig viel Geld“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt, auf Anfrage. Matis fügt hinzu: „Es geht beim Bau von Wohnungen nicht um Wünsch-Dir-Was, sondern um einen sorgsamen und intelligenten Umgang mit den vorhandenen Flächen.“

Auch wenn der Bund und die Länder eigene Förderprogramme bereitsstellen, planen die meisten Städte mit angespannten Immobilienmärkten eigene Mittel für die Wohnbauförderung ein. Der Grund: für den Bau einer Sozialwohnung erhält der Investor eine Förderung und schreibt die Miete im Gegenzug auf einem günstigen Niveau fest – in Stuttgart bei etwa 7,50 Euro pro Quadratmeter. Doch wenn auf dem freien Markt wie etwa in der Landeshauptstadt oder in München Kaltmieten von bis zu 20 Euro pro Quadratmeter und mehr möglich sind, rechnen sich Landes- und Bundesförderung für die Bauherren nicht.

Die kommunale Wohnbauförderung in Stuttgart:

Gesamtsumme
: Auf Anfrage teilte die Stadt Stuttgart mit, dass im Doppelhaushalt für die Jahre 2016 und 2017 insgesamt 26,5 Millionen Euro für den Wohnungsbau reserviert seien. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass lediglich 4,75 Millionen Euro jährlich an tatsächlichen Ausgaben eingeplant sind.

Ausgaben:
Die 26,5 Millionen Euro verteilen sich wie folgt: Pro Jahr hat die Verwaltung jeweils drei Millionen für die direkte Förderung des Wohnungsbaus etwa in Form von Zuschüssen und Darlehn für Sozialwohnungen eingeplant. Dazu kommen jeweils 1,75 Millionen für das Familienbauprogramm. Das ergibt pro Jahr 4,75 Millionen Euro – auf die beiden Haushaltsjahre gerechnet ergibt das 9,5 Millionen Euro.

Verbilligungen
: Die für die Summe von 26,5 Millionen noch fehlenden 17 Millionen Euro gibt die Stadt nicht direkt aus. Sie gewährt aber Bauherren Vergünstigungen beim Kauf von städtischen Grundstücken, wenn diese sich zum Bau von geförderten Wohnungen breiterklären. Dafür rechnet die Verwaltung mit geringeren Einnahmen von jährlich 8,5 Millionen Euro – auf die zwei Jahre des Haushalts gerechnet kommt die Stadt somit auf 17 Millionen an Grundstücksverbilligungen.