Die Innenstadt von Stuttgart war auch im Jahr 2016 das teuerste Pflaster der Stadt. Aber in einem Punkt unterscheidet sich die City nicht von den übrigen Bezirken: Die Preise steigen. Experten meinen, dass das noch lange nicht das Ende der Preisrallye ist.

Stuttgart - Auf dem Immobilienmarkt herrscht eine Zweiklassengesellschaft. Wohl dem, der noch in den Nullerjahren in Stuttgart eine Wohnung oder ein Haus gekauft hat. Wer mittlerweile Eigentümer einer Immobilie werden möchte, profitiert zwar von den Zinsen, die so niedrig sind wie nie, muss aber beim Kaufpreis erheblich tiefer in die Tasche greifen. Das mag nach einer Binsenweisheit klingen und wenig überraschen. Frappant ist jedoch, in welcher Rasanz die Immobilienpreise in Stuttgart gestiegen sind und vermutlich auch weiter steigen werden.

 

Die Zahlen des städtischen Gutachterausschusses belegen dies sehr eindrucksvoll. Kein anderes Gremium hat diesen Überblick über die Gesamtsituation in Stuttgart. Denn der Gutachterausschuss hat Einblick in alle Kaufverträge, die bei einem Notar besiegelt werden. Infolgedessen kann nur dieser Ausschuss exakt ermitteln, wie viel man in der Stadt tatsächlich für eine Immobilie im vergangenen Jahr bezahlen musste.

Konkret: In der Innenstadt, dem teuersten Pflaster der Stadt, ist der Durchschnittswert für eine neue Immobile im Jahr 2016 von 5770 Euro auf sage und schreibe nunmehr 6422 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Ein Anstieg um mehr als zehn Prozent. Richtet man den Blick auf die Durchschnittswerte in der ganzen Stadt, zeigt sich ebenfalls das enorme Tempo der Preisentwicklung. Hat ein Quadratmeter neuer Wohnfläche im Neubau im Jahr 2015 noch 5061 Euro gekostet, so waren es im vergangenen Jahr 5430 Euro.

Warum die Mieten in Stuttgart so teuer sind, erklärt StuggiTV im Video:

Noch deutlicher wird die Spirale nach oben, wenn man noch weiter zurückblickt und vergleicht. Die Zahlen des Gutachterausschusses dokumentieren hier einen Preiszuwachs, der etwa ein Drittel ausmacht. Kostete eine neue Immobilie im Jahr 2012 noch 3492 Euro je Quadratmeter, so mussten im vergangenen Jahr im Durchschnitt 5430 Euro angelegt werden.

Preis-Rallye wird weiter gehen

Welche Dimensionen damit erreicht sind, zeigt ein Praxisbeispiel anhand einer 120 Quadratmeter großen Vierzimmerwohnung. Solch eine Immobilie kostete im vorigen Jahr in Stuttgart im Schnitt 651 600 Euro – vor Steuern, Maklerprovision und anderen Nebengeräuschen wohlgemerkt. Treibt man dieses Rechenbeispiel weiter und vergleicht die Summe mit der von 2012, tut sich eine eklatante Differenz auf. Noch vor knapp fünf Jahren hätte man so eine Wohnung für 419 040 Euro bekommen – 232 560 Euro günstiger.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Immobilien, die aus dem Bestand den Besitzer wechselten. Lag der Preis 2012 im Durchschnitt noch bei 2074 Euro pro Quadratmeter, kletterte er vier Jahre später auf 3125  Euro. Nicht nur die Experten des Gutachterausschusses rechnen mit einem weiteren Preisanstieg. Auf die Frage, ob sich die Preisspirale bei Wohneigentum in Zukunft weiterdrehe, antwortet Professor Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland knapp: „Es wird weitergehen.“

Der Grund für die enormen Zuwachsraten sei allgemein bekannt: Das hohe Lohnniveau in der Metropolregion treibt die Preise zusätzlich ebenso nach oben wie die geringen Renditeaussichten bei anderen Geldanlagen. Aber der große Knackpunkt ist laut Professor Kippes: Am Markt fehlen die Objekte. Die enorme Nachfrage nach (bezahlbarem) Wohnraum treffe insbesondere in Stuttgart auf ein knappes Angebot.

Hohe Löhne treiben Preise nach oben

Diese Einschätzung teilt Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne): „Die Preise im Wohnungsbaubereich sind in allen Segmenten, ob Miete oder Eigentum, gestiegen. Dies hat auch damit zu tun, dass Stuttgart als Zentrum der Region wie diese selbst seit Jahren eine wirtschaftlich gute Konjunktur erlebt. Dazu kommt die hohe Anziehungskraft von Stuttgart.“ Diese Rahmenbedingungen machen den Immobilienmarkt in Stuttgart neben denen in München und Berlin zu einem der am dynamischsten wachsenden Märkte in der Republik. Mancher wird sich daher sagen: Hätten wir doch bloß schon vor zehn oder 15 Jahren eine Wohnung gekauft.

Oft bleibt da nur noch die Flucht aufs Land. „Bezogen auf bestimmte Stadtteile wie etwa den Westen ist es so, dass sich der durchschnittlich verdienende Haushalt Wohnraum nicht mehr leisten kann – egal, ob mieten oder kaufen“, antwortet Hanspeter Gondring, Leiter des Studiengangs Immobilienwirtschaft der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Zudem sagt der Wissenschaftler: „Wir beobachten, dass durch die innerstädtischen Hotspots insoweit ein Verdrängungswettbewerb stattfindet, dass Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen in die Randlagen oder Nachbarkommunen abgedrängt werden.“