Der Höchststand für Immobilienpreise in Stuttgart ist noch nicht erreicht. Das zeigt der Bericht des Gutachterausschusses zum Grundstücksmarkt und zu den neuen Bodenrichtwerten. Die Experten meinen auch: das wird sich so schnell nicht ändern.

Stuttgart - Wer prophezeit hat, dass die Immobilienpreise in Stuttgart ihren Höchststand bereits erreicht haben, wurde am Dienstag eines Besseren belehrt. Der Gutachterausschuss kommt zu einem klaren Schluss. „Mir ist nicht bekannt, dass etwas günstiger geworden wäre“, sagt Karlheinz Jäger, der Vorsitzende des Gremiums, bei der Vorstellung des Grundstücksmarktberichts und der aktuellen Bodenrichtwerte: „Wir rechnen aber damit, dass die Entwicklung der steigenden Preise zumindest mittelfristig weitergehen wird.“

 

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Gleichbleibender Umsatz bei weniger Verkäufen, lautet eine der Kernbotschaften. Die Zahl der Immobilienverkäufe lag im vergangenen Jahr erstmals seit 2002 unter der Marke von 6000 – die 5982 Abschlüsse bedeuten ein Minus von sechs Prozent. „Trotzdem bewegt sich der Umsatz auf dem Niveau des Vorjahres“, erklärt Jäger. Der Umsatz lag 2013 mit 2,57 Milliarden Euro lediglich drei Millionen Euro unter dem Wert von 2012.

Beträchtliche Steigerungen bei den Eigentumswohnungen

Das geringe Angebot und die zugleich hohe Nachfrage führen zu einem deutlichen Preisanstieg. „Im Bereich der Eigentumswohnungen betrug die Steigerung bei Wiederverkäufen bis zu zwölf Prozent“, sagt Jäger: „Sie lag damit in den vergangenen 20 Jahren erstmals im zweistelligen Bereich.“ Für neu gebaute Eigentumswohnungen mussten die Käufer im Schnitt 4,5 Prozent mehr bezahlen als noch 2012. „Der durchschnittliche Preis einer Neubauwohnung liegt bei 3840 Euro pro Quadratmeter“, sagt Jäger. Und: „Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal 2014 weiter fort.“

Auch die Bodenrichtwerte wurden deutlich angehoben – allerdings allein für die Wohngebiete. „Die Werte im Bereich des individuellen Wohnungsbaus wurden mit Steigerungen von zehn bis 15 Prozent fortgeschrieben“, fasst Jäger zusammen. Im Geschosswohnungsbau und bei verdichteter Bebauung wurde der Bodenrichtwert um zehn Prozent angehoben. Für die gewerblich geprägten Gebiete wurden die Werte von den Gutachtern jedoch nicht verändert. Hier wollen die Experten die momentane Entwicklung im Einzelhandel zunächst abwarten. „Die Nachfrage in den Toplagen der Innenstadt ist nach wie vor hoch“, sagt Jäger. „Allerdings können wir nicht beurteilen, wie sich die Eröffnung der beiden Einkaufszentren Gerber und Milaneo in diesem Jahr auswirken wird.“ Die Gutachter rechnen allerdings trotz der neuen Konkurrenz mit stabilen Gewerbemieten. „Möglicherweise wird das Dorotheenquartier am Karlsplatz, wenn es in zwei Jahren eröffnet, ein neuer Anker für die City“, sagt der Vorsitzende.

Abwarten bei der gewerblichen Nutzung

Die Aussagen des Gutachterausschusses basieren auf den tatsächlichen Vertragsabschlüssen in der Landeshauptstadt, nicht auf Angebotsmieten oder verlangten Preisen für einzelne Objekte. Die Notare liefern sämtliche Verträge an den Ausschuss; die Preise werden jährlich überprüft und zeigen die Entwicklung genau auf.Der Hauptgrund für die noch immer steigenden Preise liegt nach Meinung der Gutachter in der hohen Anziehungskraft Stuttgarts. Die Attraktivität des Standorts zeige sich beispielsweise in der starken Nachfrage nach modernen Büros. Beim Büroflächenumsatz konnte die Landeshauptstadt mit einem Plus von 34 Prozent die höchste Steigerung unter den deutschen Metropolen verzeichnen. Die Fachleute sprechen von den Big Seven, also den großen Sieben. Gemeint sind damit Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Auch in Sachen Leerstand bei Büros liegt Stuttgart an der Spitze dieser Rangliste. „Mit 4,9 Prozent haben wir ein Zehnjahrestief erreicht“, sagt Jäger. Nur bei den Topmieten für Büroflächen liege Stuttgart am Ende der Skala: „In der City konnten sich in der Spitze Preise von 20 Euro pro Quadratmeter behaupten.“

Ein Problem für OB Kuhns Wohnbauziele

Abgesehen von den Büromieten rangieren die Preise auf dem Stuttgarter Immobilienmarkt bundesweit auf den vordersten Rängen. Der Spitzenpreis für eine Eigentumswohnung im Bestand lag im vergangenen Jahr bei rund 10 800 Euro pro Quadratmeter. Dabei handelte es sich um eine Objekt aus dem Jahr 1984 in Halbhöhenlage im Bezirk Nord. Der höchste Kaufpreis für eine Neubauwohnung wurde mit mehr als 9000 Euro ebenfalls im Norden bezahlt – aber auch in den Bezirken Mitte, Degerloch und Feuerbach wurden Preise jenseits der 8000 Euro bezahlt. Der höchste Bodenrichtwert für Wohnungsbau wurde mit 1640 Euro pro Quadratmeter ebenfalls für ein Gebiet im Stuttgarter Norden, rund um die Schottstraße, ermittelt. Eine weitere Kennziffer, die die Situation in Stuttgart verdeutlicht: für ein typisches Einfamilienhaus in guter Lage auf einem 600 Quadratmeter großen Bauplatz mit einer Fläche von 200 Quadratmetern liegt der durchschnittliche Preis bei 835 000 Euro.

Die Gutachter vermuten, dass die erneute Preissteigerung für die Wohnbauziele von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) zum Problem werden könnte. Kuhn hatte 1800 neue Wohnungen pro Jahr – davon 600 bezuschusste und somit günstige Einheiten – als Ziel ausgegeben. „Der günstige Wohnungsbau muss stark subventioniert werden“, sagt Jäger. Doch umso teurer die Grundstücke, desto geringer ist das Interesse der Investoren, darauf günstige Wohnungen zu errichten – auch wenn der Bau mit öffentlichen Mittel unterstützt wird. Außerdem fällt diese Förderung im Südwesten nach Meinung der Gutachter eher gering aus. In Baden-Württemberg sei die Wohnbauförderung „nicht gerade ausgeprägt“.Schlechte Nachrichten für Kaufwillige: dass sich der Stuttgarter Markt im kommenden Jahr entspannen wird, ist aus Sicht der Experten unwahrscheinlich. „Die Menschen werden an ihrem Wohn- und Immobilieneigentum festhalten“, glaubt Jäger. Die Zahl der Verträge könnte demnach auch 2014 weiter zurückgehen. Das bedeutet: das Angebot wird noch kleiner, und die Preise steigen wahrscheinlich weiter.