Wegen zigfacher Untreue und Bankrotts wurde ein Immobilienunternehmer am Bodensee zu fast zwei Jahren Haft verurteilt. Die FDP aber hält ihm die Treue – just als Schatzmeister.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Auf seinen Schatzmeister lässt der FDP-Ortsverband Meersburg-Uhldingen-Immenstaad nichts kommen. Der Immobilienunternehmer Matthias H. führe das Amt „zu unserer vollsten Zufriedenheit“, versichert der Vorsitzende, er genieße unverändert das „volle Vertrauen der Mitglieder“. Ähnlich lobend äußert sich der FDP-Ortsverband Remshalden, bei dem H. bis zu seinem Umzug an den Bodensee einige Jahre Kassenwart war. Er sei „seinen Aufgaben immer in vollem Umfang gerecht geworden“, die Prüfer hätten ihm jeweils eine „ordnungsgemäße, sorgfältige und beanstandungslose Kassenführung bescheinigt“. Auch dort spricht der Vorsitzende von „vollem Vertrauen“. Auf Facebook ist der Liberalen-Funktionär, der in Uhldingen auch bei der letzten Kommunalwahl kandidierte, nach wie vor mit Parteigrößen wie Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und dem Vizelandeschef Hartfrid Wolff „befreundet“.

 

Anlass der Treueschwüre ist ein Vorgang, der auch ein gewisses Misstrauen begründen könnte. Im vorigen November wurde Matthias H. vom Amtsgericht Leonberg zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, ausgesetzt auf Bewährung. Schuldig befunden wurde er der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des Bankrotts und der Untreue in nicht weniger als 118 Fällen. Ein Mittäter erhielt wegen der gleichen Delikte eine Strafe von einem Jahr und drei Monaten, die dritte Angeklagte kam wegen Beihilfe zur Untreue mit einem Jahr davon. Nach Auskunft des Gerichts ist das Urteil, das erst jetzt breiter bekannt wird, rechtskräftig.

Schaden von mehreren 100 000 Euro

Der Prozess war der Abschluss eines rund sieben Jahre währenden, für die Justiz höchst aufwendigen Verfahrens. Mit der 80-seitigen Anklage hatte die Staatsanwaltschaft mehrere Dutzend Umzugskartons voller Akten angeliefert – Dokumente, die belegen, wie es bei H.s Wohnungsverwaltung namens „Thema“ zuging. Sie zeugen von garantierten, aber ausgefallenen Mietzahlungen, von nicht bezahlten Rechnungen für Heizöl und Handwerker, von spurlos verschwundenen Kautionen und Rücklagen. Betroffen waren mehrere hundert Eigentümer aus ganz Süddeutschland, den Schaden konnten die Ermittler wegen der unüberschaubaren Zahl der Fälle nur überschlagen; es seien wohl mehrere 100 000 Euro. Matthias H., der auf StZ-Anfrage nicht reagierte, schob alle Schuld auf einen früheren Mitgeschäftsführer; er habe wohl „dem falschen Mann vertraut“. Doch das Gericht sah in ihm den Hauptverantwortlichen, wie das höhere Strafmaß zeigt.

An H.’s Selbstbewusstsein scheint das Urteil nicht zu nagen. Auf seiner Homepage präsentiert er sich nach wie vor als erfolgreicher und vertrauenswürdiger Immobilienunternehmer. Bei seiner Firma mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen sei man „genau richtig“, wenn es um die Verwertung von Immobilien gehe. Diverse Links führen zu Berichten über seine Aktivitäten bei der FDP (etwa eine Bootsfahrt mit dem Juli-Bundesvorsitzenden) oder als Hubschrauberpilot, auch für die DRF-Luftrettung. Die Vorstrafe bleibt unerwähnt. Dafür brüstet sich H. per Werbeartikel weiterhin, er habe „mit dem Sozialministerium zusammen“ ein Programm für betreutes Seniorenwohnen entwickelt und sei Preisträger 2006 beim Existenzgründerwettbewerb „Start up“.

Nach der Ehrung nur Ärger mit dem Preisträger

Tatsächlich hatte der baden-württembergische Sparkassenverband ihn damals mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Prämiert wurde seine „Vermieterschutzkartei“, eine Datenbank, die Immobilieneigner vor zahlungsunwilligen Mietern warnen sollte. Sparkassenpräsident Peter Schneider (CDU) und der damalige Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) gratulierten persönlich. Man brauche „gerade solch mutige und engagierte Unternehmen“, lobte der arg- und ahnungslose Oberliberale.

Seither hatten die Laudatoren nur noch Ärger mit H.: Der Mieterbund empörte sich über dessen Geschäftsmodell, das Innenministerium rügte Datenschutzverstöße, eine Unternehmerin mit ähnlichem Konzept nannte H. einen „Trittbrettfahrer“ und erwirkte, dass das Ministerium seine Würdigung nachträglich änderte. Ex-Ministerpräsident Lothar Späth ließ ein nicht autorisiertes Zitat („Wichtig bei Immobilienunternehmen ist die Wahl der Partner“) von H.’s Internetseite streichen. Als 2008 dann die Ermittlungen um geplünderte Vermieterkonten anliefen, samt Razzia bei dem Preisträger, war der vorläufige Gipfel der Peinlichkeit erreicht. Ein Prozess wegen hoher Mietschulden des „Vermieterschützers“ bei seiner Villa in Friolzheim fiel da kaum noch ins Gewicht.

Sparkassenverband sieht „kriminelle Energie“

Der Sparkassenverband ging früh auf Distanz und zog schon bald erste Konsequenzen. Gründer können sich seither nicht mehr – wie H. – direkt, sondern nur noch über eine Sparkasse bewerben, die sie als preiswürdig empfiehlt. Gründerideen werden „deutlich intensiver“ geprüft, mit dem Preis darf nur noch zwei Jahre geworben werden. Weitere Folgerungen wurden vom Ausgang des Verfahrens abhängig gemacht. Nach dem Leonberger Urteil, von dem der Verband erst durch die StZ erfuhr, wird H. von der Liste der Preisträger gestrichen; der erste Platz beim Wettbewerb 2006 sei somit unbesetzt. „Natürlich distanzieren wir uns vollständig von der kriminellen Energie, die Herr H. nach der Ehrung . . . an den Tag gelegt hat und die jetzt auch rechtskräftig festgestellt ist“, sagte ein Verbandssprecher. Glücklicherweise bleibe der Fall eine „absolute Ausnahme“.

Der FDP-Ortsverband Meersburg will von einer Distanzierung hingegen nichts wissen. H. habe die Partei „zeitnah über die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Urteil des Amtsgerichts Leonberg informiert“, sagt der Vorsitzende Volker Hochrein. Man sehe „keinen Zusammenhang“ zwischen dem Richterspruch und seiner Tätigkeit als Schatzmeister. Auch von den Remshaldener Liberalen verlautet, man würde H. „trotz des Urteils“ weiter vertrauen. In der Parteisatzung gibt es nach Auskunft der Landes-FDP „keine Automatismen“ in solchen Fällen. In jedem Einzelfall sei „zu prüfen, ob durch das Verhalten des Mitglieds der Partei Schaden zugefügt wurde“, sagt ein Sprecher. Ob und welche Schritte eingeleitet würden, bespreche man mit der jeweils betroffenen Gliederung. Das letzte Wort scheint in der Sache H. also noch nicht gesprochen zu sein.