Das Rathaus im Kirchheimer Teilort Nabern ist für viele Bürgermeister im Land der erste Schritt auf der Karriereleiter gewesen. Für den Ortschaftsrat ist das gleichzeitig Fluch und Segen.

Kirchheim - Meistermacher sind fein raus – vor allem auf der Bühne des großen Sports. Sie zehren meist lebenslang von ihren Meriten. Bürgermeistermacher nicht. Haben sie Erfolg, fängt die Arbeit erst richtig an. Im Kirchheimer Teilort Nabern können Helmut Kapp und Rainer Kneile ein Lied davon singen.

 

Und schon wieder ist einer weg. Ferdinand Truffner hat die nächste Stufe auf der Karriereleiter mit Schwung genommen. Er ist von Januar an Bürgermeister in Empfingen, vor gut einer Woche gewählt mit 83,8 Prozent der Stimmen. Als Sprungbrett hat dem 28 Jahre alten Verwaltungsfachmann das kleine Rathaus im Kirchheimer Teilort Nabern gedient. Drei Jahre war Truffner dort Ortsvorsteher, jetzt bläst der passionierte Trompeter dem 4100 Einwohner zählenden Flecken im Kreis Freudenstadt den Marsch.

Zurück bleibt der Naberner Ortschaftsrat und dessen aktueller Vorsitzender, Rainer Kneile. Der freut sich einerseits, weil sich Nabern nicht zum ersten Mal als Kaderschmiede für den baden-württembergischen Schultesnachwuchs profiliert hat. Andererseits ist ihm ein wenig flau vor den nächsten Monaten, in denen er die Geschicke des Teilorts leiten muss. Für den 58 Jahre alten Ortschaftsratsvorsitzenden, im Hauptberuf Technischer Angestellter, ist es eine Premiere, für seinen Vorgänger im Ehrenamt, Helmut Kapp, war es Routine.

Acht Ortsvorsteher haben von Nabern aus den Sprung in einen Chefsessel geschafft

Nicht weniger als acht Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher sind den Nabernern seit Ende der 80er Jahre von der Fahne gegangen. Meist hat dann Helmut Kapp die Geschäfte geführt – mal länger, mal weniger lang. Bei jedem Wechsel hat er neben seinen beiden Berufen als Architekt und Landwirt mindestens vier Monate lang auch als kommissarischer Ortsvorsteher die Geschäfte geführt. Einmal habe es sogar ein Jahr gedauert, bis der nächste hauptamtliche Ortsvorsteher verpflichtet war, erinnert er sich.

Rund zehn Arbeitsstunden pro Woche hätten in der Regel in die administrativen Arbeiten – Sitzung vorbereiten und durchführen, Mails beantworten, Anträge stellen, zu runden Geburtstagen gratulieren – investiert werden müssen. Oder, wie Kapp seinem Nachfolger Kneile den Arbeitsaufwand in Kurzform zusammenfasst: „Du muascht halt jeda Dag vor d’r Arbeit kurz no aufs Rathaus springa und schnell was unt’rschreiba.“

Die Liste, die vor den Naberner Bürgermeistermachern auf dem Wohnzimmertisch liegt, ist lang und reicht zurück bis in die 80er Jahre. Den Auftakt hat Dieter Girrbach gemacht, der als Schultes nach Schlaitdorf gewechselt ist. Dann ging sein Nachfolger Thomas Schubert nach Eschenbach. Ursula Keck ist über ein Intermezzo als Bezirksvorsteherin in Stuttgart-Münster als Oberbürgermeisterin in Kornwestheim durchgestartet. Ihr Nachfolger Ralf Steinbrenner ist als Bürgermeister nach Leingarten gewählt worden. Nicolas Fink ist als Rathauschef nach Aichwald gegangen, Clemens Moll nach Amtzell und Susanne Jakob nach Holzmaden. Und jetzt Ferdinand Truffner. „Dia moischte send rechte Kerle g`wea“, sagt Helmut Kapp, wobei das schwäbische Kerle auch die beiden Mädle mit einschließt.

Ein bisschen gefremdelt hätten die Naberner nur mit Dieter Girrbach – und der aber allerdings auch mit den Nabernern. Das, so Kapp, sei auch kein Schlechter gewesen – aber eben mehr ein Verwalter.

Verwalten allein genügt nicht, um ein guter Schultes zu werden

Verwalten allein genügt in dem überschaubaren Flecken nicht und auch das Parteibuch ist Nebensache. Man muss es mit den Leuten können. Im Gegenzug bietet das kleine Nabern ganz große Entfaltungsmöglichkeiten. „Jeder hat sein Steckenpferd gehabt“, sagt Kapp. Sei es die Gründung des Bürgervereins, die Sanierung der Zehntscheuer, der Bau der Sporthalle oder, jetzt aktuell anstehend, der Bau eines neuen, wohl drei Millionen Euro teuren Kindergartens.

Für den Ort, wie auch für die meist direkt von der Verwaltungshochschule kommenden Absolventen ist es eine Win-Win-Situation. Die jungen Verwaltungsfachleute können Akzente setzen und sich mit ihren Ideen an der kommunalpolitischen Wirklichkeit reiben, der Ort seinerseits – obwohl im Regionalplan nicht als Entwicklungsachse ausgewiesen – gerät selten in die Gefahr, in Lethargie zu verfallen.

Die jungen Ortsvorsteher und Ortsvorsteherinnen übrigens auch nicht. „Die meisten haben hier eine Familie gegründet und Kinder bekommen“, sagt Kapp. So gesehen, würde es dem Ort gut tun, wenn ein aufstrebender Jungpolitiker auch einmal mehr als nur drei Jahre bliebe. „Von unseren knapp über 1930 Einwohnern sind immerhin 400 älter als 70 Jahre“, sagt Kneile. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch der nächste Bewerber, die nächste Bewerberin, die Visitenkarte nur für kurze Zeit im Naberner Rathaus abgeben wird. „Dass Nabern der erste Schritt zur Karriere ist, spricht sich rum im Land“, sagt Kneile – und klingt dabei nicht unbedingt traurig.