In der Bildungsakademie der Handwerkskammer in Stuttgart-Weilimdorf werden derzeit Betten für eine Flüchtlingsunterkunft in der Ehmannstraße gebaut. Viele freiwillige Helfer haben sich gemeldet, auch Flüchtlingen helfen beim Bettenbauen.

Weilimdorf – Es ist Not am Mann, und es ist bald Weihnachten“, sagte sich Matthias Deckert. Also zog der Teamleiter für die überbetriebliche Ausbildung in der Bildungsakademie der Handwerkskammer (HWK) Region Stuttgart im Gewerbegebiet Weilimdorf die Krawatte aus, die er sonst trägt. Momentan trägt er Latzhose und Arbeitsschuhe, die Ärmel seines karierten Hemdes hat er hochgekrempelt: „Handwerk packt an, heißt schließlich unser Leitspruch“, sagt Deckert. Zu seinem Bereich gehören 13 Werkstätten und 19 Mitarbeiter im Bildungsakademie-Gebäude.

 

Zwei Stockbetten-Versionen wurden entwickelt

Angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise wollten der 49-Jährige und sein Team nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Also nahm sich der Schreinermeister ein Wochenende lang Zeit und entwickelte zwei Prototypen für Stockbetten. Die beiden Versionen aus Holz sollten relativ schnell und mit wenig Aufwand auch für Laien im Do-it-yourself-Verfahren herstellbar sein, erklärt er. Die Anfangsidee war, dass die Mitarbeiter der Bildungsakademie an der Holderäckerstraße 37 nach Feierabend ehrenamtliche Zusatzschichten einlegen. Die 30 Doppelstockbetten sind für eine Flüchtlingsunterkunft an der Ehmannstraße in S-Nord gedacht.

Matthias Deckert: „Unser Auftraggeber ist das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart. Den Materialpreis für das Holz zahlt das RP.“ Natürlich sei die Hilfsaktion nur ein Mosaiksteinchen: „60 Betten werden die Welt sicherlich nicht retten. Aber wir wollten ein Zeichen setzen“, sagt der Teamleiter der Bildungsakademie.

Auch Flüchtlinge arbeiten mit

Über soziale Netzwerke wurde die Sache publik gemacht, und die geplante Hilfsaktion machte schnell die Runde. Freiwillige meldeten sich spontan. Deckert war begeistert. „Ich habe bestimmt schon 30 Anrufe bekommen. Alle wollen mithelfen.“ Es sind Menschen aus unterschiedlichen Bereichen: Ehrenamtliche aus der Flüchtlingshilfe, aber auch Auszubildende, ein Lehrer und einige seiner Schüler aus der Gewerbeschule für Holztechnik in Feuerbach beteiligten sich beispielsweise am Arbeitseinsatz. Die Votteler Lackfabrik in Korntal-Münchingen spendete den Wasserlack: „Und das THW und die Firma Türenmann aus Feuerbach unterstützen uns am Montag, wenn wir ab 9 Uhr die 30 Stockbetten in die Ehmannstraße bringen und dort aufbauen“, sagt Deckert. Aber auch Flüchtlinge helfen mit. Sie sägen, schrauben, lackieren und montieren die Holzteile in den Ausbildungswerkstätten zusammen: Am Dienstag haben vier junge Ghanaer mitgeholfen. Am folgenden Tag arbeitet Talal Alzir aus Syrien mit. Er schraubt gerade mit Vivien Melcher einen Bettrahmen zusammen. Die junge Frau arbeitet im Arbeitskreis „Freundeskreis Flüchtlinge Autohof“ mit: „Wir kümmern uns um Flüchtlinge in den Unterkünften in Hedelfingen, Wangen und Obertürkheim“, sagt sie. Über Facebook hat sie von der Gemeinschaftsaktion erfahren: „Ich finde das eine tolle Idee und ich habe einige Flüchtlinge, die momentan in einer Turnhalle in Hedelfingen untergebracht sind, auf die Aktion angesprochen.“

So hat auch Talal Alzir, der Elektroingenieur ist und aus Damaskus stammt, von der Mitmachaktion erfahren. Seit dreieinhalb Monaten ist er in Deutschland, momentan lebt er mit 80 weiteren Flüchtlingen in einer Sporthalle in Hedelfingen. Die Arbeit mit Holz ist ihm vertraut: „Mein Cousin in Syrien hatte eine Schreinerwerkstatt“, sagt der 39-Jährige.

Nebenbei hat die Aktion auch zu einer Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft geführt. Der Grund dafür ist für Deckert ganz einfach: „Wir fragen nicht, wo jemand herkommt, sondern, wo jemand hin will.“