Der Totenkult der Toraja auf der indonesischen Insel Sulawesi ist weltweit einzigartig: Das kleine Bergvolk feiert aufwendige Begräbniszeremonien, an denen Touristen teilnehmen dürfen.

Sulawesi - Was der Tod bedeutet, das ist auch eine Frage des Blickwinkels. Aus Sicht von Marina Tapu ist ihre Schwiegermutter, die im Zimmer nebenan im Sarg liegt, nicht tot. Ihrem Verständnis nach ist sie krank. Auch wenn sie seit drei Jahren keinen Atemzug mehr getan hat. In der Welt der Toraja, einem Volk auf der Insel Sulawesi, gelten eigenwillige Gesetze. Zumindest aus europäischer Sicht. Erst mit dem großen Opferfest geht die Seele der Verstorbenen, sagt Tapu. Und momentan befindet sie sich noch in dem mumifizierten Körper im Nebenraum. In dem schummrigen Sargzimmer liegen in einer Ecke einzelne Zigaretten, etwas Brot und eine Flasche Wasser. Verwandte haben Proviant gebracht. Der Schwiegermutter im Zwischenreich soll es an nichts fehlen.

 

Marina Tapu tritt aus dem dunklen Haus hinaus auf den Festplatz. Die Sonne wärmt den Sandboden. Ein paar Dutzend Bambushütten und Pavillons hat die Familie errichten lassen, die sich später mit Hunderten Gästen füllen sollen. An diesem Mittag laufen die Vorbereitungen. Die Beerdigungszeremonien im Torajaland übertreffen in ihrer Größenordnung jedes andere Ereignis im Leben der Ureinwohner: Die Begräbniszeremonie dauert bis zu zehn Tage und ist vor allem ein Schlachtfest, bei dem die Toraja Dutzende Wasserbüffel und Hunderte Schweine opfern. Auf den Tieren stehen die Namen der Familie, die die Opfergabe mitgebracht haben. Auf jeden geopferten Büffel und jedes Schwein entfallen Steuern. Die Zeremonie kostet daher sehr viel Geld.

Gefeiert wird bei Regen, Sonne, Tag und Nacht

Deshalb sparen viele Familien jahrelang, bis sie sich ein angemessenes Fest leisten können. Der Austragungsort, das Torajaland, liegt im Zentrum der viertgrößten indonesischen Insel Sulawesi. Acht Stunden dauert die Fahrt mit dem Bus von der Hafenstadt Makassar in das Gebiet, das sich auf einem Hochplateau befindet. Die Reise führt vorbei an malerischen Reisterrassen und üppiger Vegetation. Die Hauptregenzeit ist von Ende November bis März. Während es im Tiefland und an der Küste fast das ganze Jahr über um die 30 Grad hat, können die Temperaturen im Hochland deutlich darunter liegen. Gefeiert wird bei Regen, Sonne, Tag und Nacht. Eman Suherman hat viele Opferfeste besucht. Nicht weil besonders viele Menschen in seiner Verwandtschaft gestorben sind, sondern weil er Touristenführer auf der viertgrößten Insel Indonesiens ist. Und als solcher führt er seit Jahren Menschen aus aller Welt in den Totenkult der Toraja ein. Tanah Toraja, so heißt das Land des alten Stammes im Hochland von Südsulawesi, in dem rund 750 000 Menschen leben.

Zwischen Juli und September sowie im Dezember veranstalten die Einwohner ihre aufwendigen Totenmessen in der Region um die Stadt Rantepao. Es ist eine brutale, archaische Welt, die zarten Gemütern viel abverlangt. Etwa wenn Schweine im Dutzend abgestochen und mit Bunsenbrennern flambiert werden. Doch sie besteht auch aus leisen Tönen: Die Dorfbewohner verabschieden Verwandte rührend ins Reich der Toten und sorgen sich darum, dass es den Verstorbenen auch nach ihrem Tod an nichts fehlt. Eine der wichtigsten Stationen ist das Felsengrab von Lemo. Eman Suherman deutet mit seinem Zeigefinger auf das mehr als 40 Meter hohe Felsmassiv, das sich ein paar Schritte vor ihm aufbaut. „Diese Gräber sind für die Adligen vorgesehen“, sagt Suherman.

Vor den Felsengräbern wachen die sogenannten Tau-Tau-Figuren. Sie sind nach dem Glauben der Toraja Abbilder der Verstorbenen. Der Glaube daran ist auch in der Sprache verankert: Tau bedeutet Mensch und gleichzeitig auch Figur. Die Toraja feiern oft pompös, nicht nur wenn es um das Ende geht, auch einen Anfang nehmen sie sich zum Anlass für ausschweifende Feste. Zum Beispiel die Einweihung eines neuen Hauses. Nur wenige Minuten mit dem Bus entfernt von den Felsgräbern liegt die Stadt Ranto Lemo. Auf der unbefestigten Straße parkt ein Kleinlaster. Laut quiekend windet sich ein Wildschwein und wehrt sich nach Kräften dagegen, dass zwölf Toraja es auf einer Trage aus Bambusrohren befestigen. Auf ihr tragen die Ureinwohner das Tier später auf die nahe gelegene Hügelkuppe.

„Wir erwarten 3000 Gäste und schlachten 120 Schweine“

Dort befindet sich ein Dorf, dessen Einwohner die Einweihung eines Ahnenhauses feiern. Die ausgefallene Architektur der Häuser, typisch für die Gebäude der Toraja, brennt sich ein ins Gedächtnis: Die geschwungenen Dächern ähneln einem Schiffsrumpf. Angeblich als Erinnerung daran, dass das einstige Seefahrervolk vor Jahrhunderten von der Küste ins Landesinnere zog. Doktor Gabanja, wie er sich vorstellt, steht vor dem neuen Haus und ist Chef des Feierkomitees. „Wir erwarten 3000 Gäste und schlachten 120 Schweine“, sagt Gabanja, den ein Umhang aus gelber Seide umhüllt. Er gehört der zwölften Generation jener Familie an, sagt er, die an diesem Tag das Haus einweiht. Hinter Gabanja stechen Männer mit Dolchen Schweine ab.

Wenige Schritte entfernt liegen die toten Tiere auf dem Boden und werden gerade flambiert. Die verkohlten Überreste zerteilen Dorfbewohner mit Macheten. Die Schlachtorgien legen auch Probleme des Inselstaates Indonesien offen: Denn einzelne Familien sind derart zu den Schenkungen verpflichtet, dass sich nicht wenige Clans hoffnungslos verschulden. An diesem Tag aber steht die Feier im Vordergrund. Rund um Doktor Gabanja sind zahlreiche Bambushütten aufgebaut, ein paar Hundert Gäste essen, trinken, rauchen. In der Luft hängt der Geruch von Blut, das sich in großen Pfützen über dem lehmigen Erdboden ausbreitet. Einwohner servieren das Frischfleisch direkt an die Gäste. Ortswechsel, das Dorf der Totenzeremonie der Verstorbenen.

Bis das Totenfest der Schwiegermutter von Marina Tapu den fulminanten Höhepunkt mit Tanz und Opfergaben im Akkord erreicht, ziehen noch einige Tage ins Land. Die Hörner der geschlachteten Büffel reihen die Feiernden dann auf dem Boden aneinander. Doch auch jetzt strömen bereits Hunderte Gäste durch das Dorf, um einem Stierkampf beizuwohnen. Todesmutig stacheln einige Anwohner die Tiere an. Die Angst zu sterben hemmt sie offenbar nicht. Aber der Tod spielt im Torajaland sowieso eine besondere Rolle.

Infos zu Sulawesi

Anreise
Über Singapur. Dorthin fliegen zum Beispiel Lufthansa ( www.lufthansa.com ), Etihad ( www.etihad.com ) und Singapore Airlines ( www.singaporeair.com ). Ab dem Flughafen in Singapur geht es weiter mit der Airline Silkair ( www.silkair.com ). Hin- und Rückflug sind insgesamt ab einem Preis um die 1200 Euro erhältlich.

Unterkunft
In Makassar ist die Auswahl an Hotels begrenzt. Es bieten sich zum Beispiel das Aston Makassar International an, www.aston-international.com .

Das Hotel liegt zentral und verfügt über eine Dachterrasse samt Schwimmbad. Eine Nacht kostet hier ab 40 Euro. Etwas darunter liegen die Preise im Best Western, www.bestwestern.com . Hier zahlt der Gast rund 33 Euro für eine Nacht.

Im Torajaland empfiehlt sich das Hotel Toraja Heritage, in dem der Gast circa 50 Euro für eine Übernachtung bezahlt, www.toraja-heritage.com .

Eine Nacht im Hotel Sahid Toraja kostet um die 34 Euro, www.sahidhotels.com

Veranstalter
Wenige Individual-Reiseveranstalter bieten eine Reise von Makassar ins Land der Toraja an. Sie stellen englisch- oder deutschsprachige Reiseführer. Dazu zählt der Reiseveranstalter Dertour, www.dertour.de . Die Tour „Sulawesi zum Kennenlernen” dauert 4 Tage und 3 Nächte. Sie kostet für eine Person (DZ) 573 Euro.

Eine längere Rundreise bietet der Spezialveranstalter Sunda Islands an, www.sunda-islands.com . Die dauert 12 Tage und führt von Tana Toraja in den Nationalpark Lore Lindu; 1695 Euro pro Person.

Allgemeine Informationen
Indonesien ist mit seinen rund 17 000 Inseln der größte Inselstaat der Erde. Nach Schätzungen sind davon ungefähr 6000 bewohnt. In dem Land leben zahlreiche Volksgruppen, insgesamt hat es 240 Millionen Einwohner. Der Stamm der Toraja feiert Totenfeste vor allem im Juli und August sowie im Dezember. Weitere Tipps gibt es auf der Website www.tourismus-indonesien.de

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten sich Besucher das Dorf Palawa mit seinen holzgeschnitzten Häusern anschauen. In der Nähe gibt es einen traditionellen Markt. A uf keinen Fall bei den Toten-Zeremonien helle Kleidung tragen, weil das als unangemessen wahrgenommen wird. Touristen sollten lieber in gedeckten, dunklen Farben erscheinen.