Eine Ausstellung des Bürgervereins über 15 Untertürkheimer Unternehmen befördert auch Überraschendes und Skurriles zu Tage.

Untertürkheim/Rotenberg - Vom Lumpensammler zum Millionär – dieses Märchen ist Anfang des vergangenen Jahrhunderts in Untertürkheim wahr geworden. 1905 siedelte sich die Baumwoll- und Putzwollfabrik Wolf & Söhne im Stadtbezirk an.

 

Während der Vater sein Geld noch als Lumpensammler verdient hat, stiegen die Söhne in wenigen Jahre zu reichen Fabrikanten auf. Sie produzierten Stoffe, aus denen im Ersten Weltkrieg die Uniformen der Soldaten geschneidert wurden. Ein lukratives Geschäft, so lukrativ, dass sie König Wilhelm II. einen kompletten Lazarettzug schenken konnten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde das jüdische Unternehmen enteignet. Der legendäre Lumpen-Wolf emigrierte nach Südamerika.

Das ist ein Beispiel von vielen. Denn an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und teilweise noch bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinein war Untertürkheim ein Zentrum der Großindustrie.

Eine Ausstellung des Bürgervereins zeigt jetzt die Geschichte von 15 dieser Unternehmen. Zehn Jahre lang hat Klaus Enslin, der Vorsitzende des Vereins, an der Vorbereitung gearbeitet. Er hat in alten Werbeheften gestöbert, Firmen, die es heute noch gibt, angeschrieben und Originalprodukte der Unternehmen im Internet ersteigert.

Bekannten Größen wie die Daimler AG und Eszet

Jetzt steht das Fabrik-Feuerwehr-Schild der Bettfedernfabriken Straus & Cie im Ortsmuseum im Alten Schulhaus in Rotenberg. Kosmetika aus den Vereinigten Seifenfabriken Stuttgart liegen neben einer Packung mit Eszet-Schnitten in den Vitrinen. Der Kakao- und Schokoladenhersteller ging Mitte der 1970er Jahre pleite. Die Verdoppelung des Kakaopreises wurde dem Unternehmen laut Enslin zum Verhängnis. Die Firma musste schließen; allein der Markenname wurde verkauft. Heute gehört er dem Kölner Lebensmittelunternehmen Stollwerck.

Neben bekannten Größen wie der nach wie vor in Untertürkheim ansässigen Daimler AG oder dem Kakao- und Schokoladenhersteller Eszet, dessen Name am ehemaligen Firmensitz sogar an der SSB-Haltestelle verewigt ist, hat Enslin bei seinen Recherchen auch Überraschendes und Skurriles zu Tage befördert. So etwa die Geschichte der Firma R. Bubeck & Sohn, der ältesten Hundekuchenmanufaktur der Welt, das behauptet jedenfalls Enslin. „Die Untertürkheimer haben sie jedoch in schlechter Erinnerung.“ Die Herstellung von Hunde- und Geflügelfutter habe ziemlich gestunken.

Die Traditionsmarke York wurde dort produziert

Anfang der 1950er Jahre eröffnete die Berliner Garbáty Cigaretten Fabrik an der Mercedesstraße 168 einen Standort. Die Traditionsmarke York wurde dort produziert. „Der Tabak war zu schlecht“, sagt Enslin. Rund ein Jahr nach der Eröffnung wurde der Standort wieder geschlossen.

Schon eher eine Erfolgsgeschichte ist die Eugen Bauer GmbH, die ab 1928 in Untertürkheim Kinomaschinen produzierte. Sie schaffte es bis zum Marktführer. „In fast jedem zweiten Kino steht heute noch eine Bauer-Maschine“, sagt Enslin, der noch mindestens zehn weitere Untertürkheimer Firmen auf seiner Liste hat, deren Geschichte er in den kommenden Jahren aufarbeiten will.

Info Die Ausstellung des Bürgervereins im Alten Schulhaus in Rotenberg, Württembergstraße 312, ist noch bis September an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Mehr Infos gibt es unter www.bv-untertuerkheim.de.