Von Schokolade über Gablenberger Bier bis hin zu Geldschränken: Bei einem Rundgang stellt Ulrich Gohl vom Museumsverein Muse-O die Industriegeschichte Ostheims und Gablenbergs vor.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Ost - Abseits von Daimler, Bosch und Porsche ist die Stuttgarter Industriegeschichte kaum erforscht, sagt Ulrich Gohl, Historiker, Kabarettist, Autor und Ausstellungsmacher im Muse-O, der den Industriespaziergang leitet. Dabei gebe es noch so viel mehr, was man über die industrielle Vergangenheit der Stadt sagen könne. Ostheim war das Zentrum der Industrie im Stuttgarter Osten, wie sich an den knapp zwei Dutzend Stationen des Rundgangs feststellen lässt. Von Textil- und Metallbetrieben bis hin zur berühmten Schokoladenfabrik der Firma Tobler und der Strickwarenfabrik von Paul Kübler finden sich im Osten zahlreiche Zeugnisse der Industriegeschichte.

 

Die Industriegeschichte ist noch nicht zu Ende erzählt

„Viele der noch bestehenden Gebäude werden heute von Kreativen genutzt“, so Gohl bei seiner Führung am Samstag und verweist dabei auf Architekten, Designer und die Trickfilmfirma Pixomondo, die im Kübler-Areal ihr Zuhause gefunden hat. Trotz tropischer Temperaturen haben sich 35 Bürger zu seiner Tour eingefunden. Gohl gibt sich Mühe, auf der etwa fünf Kilometer langen Runde immer ein schattiges Plätzchen zu finden, wenn er stehen bleibt.

„Die Industriegeschichte des Stuttgarter Ostens ist noch lange nicht zu Ende erzählt“, sagt Gohl. Immer wieder bekommt er, entweder durch Eigenrecherche oder durch Hinweise aus der Bevölkerung, neue Informationen zur Historie des Ostens. So erfuhr er, dass bevor die Firma Tobler an der Ostendstraße 88-90 von 1956 bis 1985 Schokolade produzierte, dort schon süße Versuchungen hergestellt wurden. 1920 gab es hier die Schokoladenfabrik Wernick, 1927 verschmolz das Unternehmen mit der Firma Buck, bevor 1956 Tobler in den Konzern einstieg und ihn 1970 schließlich übernahm.

Auf dem SSB-Gelände wurden Geldschränke gebaut

Spannend findet Gohl auch die Geschichte der Gebäude an der Florianstraße 18-20. Sie wurden bereits 1898 erbaut. Bis 1903 fand sich darin eine Eisenmöbelfabrik, danach bis 1908 die deutschen Fensterladenwerke. Anschließend baute Friedrich Keese darin eine Maschinenfabrik auf, für Maschinen und gesundheitstechnische Anlagen. „Danach wird die Aktenlage dünner“, sagt Gohl. Aus den 60er Jahren gebe es keinerlei Informationen über die Firma. 1971 sei sie schließlich zwangsweise aus dem Unternehmensregister gelöscht worden. Sicher sei nur, dass die Gebäude durch verschiedene Nutzungen immer wieder verändert wurden. Neue Erkenntnisse hat Ulrich Gohl ebenso über das Gelände zwischen Ostendstraße, Landhausstraße und Schönbühlstraße gewonnen, auf dem heute das Depot der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) zu finden ist. „Hier stand früher eine riesige Geldschrankfabrik von Goetz und Co, später produzierte die Firma Ostertag hier.“ Das Gebäude stehe nicht mehr. Von 1910 an habe die SSB das Gelände nach und nach gekauft.

Ein Festplatz an der Gablenberger Hauptstraße

Während in Ostheim noch viele der ehemaligen Industriegebäude erhalten sind, findet man in Gablenberg kaum noch ein solches Zeugnis der industriellen Geschichte. Die Schlossbrauerei Gablenberg stand einst an der Gablenberger Hauptstraße auf Höhe des Gebäudes 75. Neben der Brauerei und einer Gaststätte fand sich hier ein großer Festplatz. Die Schlößlestraße gab es damals noch nicht. Nur unweit der Schlossbrauerei, an der Gablenberger Hauptstraße 61-63, wurden zwischen 1914 und 1944 Sprungfedern für Matratzen produziert. Die Stahlfeder-Matratzenfabrik Rössle und Wanner, kurz Röwa, wurde hier gegründet. Das einzige industriell-historische Gebäude in Gablenberg, das heute noch existiert, ist das Pianozentrum Matthaes an der Klingenstraße 30. „Von 1925 bis in die 70er Jahre hinein wurden hier Klaviere hergestellt, teils bis zu 200 Stück im Jahr. Heute ist der Betrieb auf Service spezialisiert“, sagt Gohl.