Die Grippewelle hat auch das Land und die Region Stuttgart erfasst. Häufig ist der Krankheitsverlauf schwerwiegend. Insbesondere ältere Menschen müssen wegen einer Influenza sogar auf der Intensivstation versorgt werden. Dort gerät man immer wieder an die Kapazitätsgrenze.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die grassierende Grippewelle mit teils schweren Krankheitsverläufen hat auch das Land und die Region Stuttgart erfasst. Das Landesgesundheitsamt hat seit Beginn der Grippesaison im Oktober 1724 Fälle gemeldet bekommen, im Vorjahreszeitraum waren es nur 253. Das Stuttgarter Gesundheitsamt hat alleine seit Jahresanfang schon 244 solcher Virusinfektionen registriert. Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um Influenza A vom Typ H3N2. Dies wirkt sich insbesondere auf die hiesigen Krankenhäuser aus, deren Intensivstationen wegen älterer Grippepatienten, die durch die Infektion in einen kritischen Zustand geraten, zurzeit immer wieder an der Kapazitätsgrenzen arbeiten.

 

Hört man sich bei niedergelassenen Ärzten um, gewinnt man ein wenig dramatisches Bild. So behandelt Manfred Schmid in seiner Hausarztpraxis in Bad Cannstatt viele Patienten mit Atemwegserkrankungen. Deren Charakteristik sei oft, „dass sie sich auffallend lange nicht davon erholen“, sagt der Mediziner. Eine große Grippewelle kann Schmid derzeit aber noch nicht feststellen, die erwartet er wie üblich erst im Februar. Fälle einer „echten Virusgrippe mit hohem Fieber“ habe er bis jetzt erst zwei gehabt. Günstig sei sicher, dass sich seine Patienten im Pflegeheim, das er betreut, fast alle gegen Grippe haben impfen lassen. Schmid: „58 haben mitgemacht, nur zwei nicht.“

In den Hausarztpraxen sind die Fälle überschaubar

Die Erfahrungen von Anne Gräfin Vitzthum von Eckstädt, die eine Praxis in Weinstadt hat, sind ähnlich. Erkältungen verliefen dieses Jahr häufig schwerwiegender als sonst. Mancher habe „vier bis sechs Wochen einen anständigen Husten“. Auch die Patienten, die eine richtige Grippe haben, seien diesmal deutlich stärker betroffenen. „Sie haben hohes Fieber, starke Gelenkschmerzen, Bronchitis und leiden an Kreislaufschwäche“, so die Medizinerin.

Dass sich in den vergangenen Wochen auch hierzulande eine Grippewelle aufgebaut hat, merken vor allem die Krankenhäuser. Ein Beispiel ist das Robert-Bosch-Krankenhaus auf dem Burgholzhof in Stuttgart. „Wir haben eine Häufung ungewöhnlicher Influenzafälle“, sagt Mark Dominik Alscher, der Ärztliche Direktor des RBK. In der Notaufnahme hat man dort in den zurückliegenden 20 Tagen 123 Influenzapatienten aufgenommen, dazu 36 Menschen, die von dem ebenfalls nicht harmlosen RSV-Erreger betroffen sind. Alscher: „Eine so große Zahl habe ich noch nie erlebt.“

Die schwierigen Fällen kommen in die Krankenhäuser

Nicht wenige dieser Infektionen haben einen schwerwiegenden Verlauf genommen, bis hin zu Todesfällen. Viele der vorwiegend älteren Betroffenen, die meist an verschiedenen Vorerkrankungen leiden, landen auf der Intensivstation. „Wir haben viel mehr Beatmungsfälle als sonst“, sagt der Ärztliche Direktor. Insbesondere, wenn die Virusgrippe eine Lungenentzündung mit einer zusätzlichen bakteriellen Infektion nach sich zieht. Das hat Folgen für den Klinikbetrieb. Die Wartezeiten in der Notaufnahme sind derzeit länger als sonst, weil die Influenzapatienten umfangreiche Hygienemaßnahmen erforderlich machen. Auf den Stationen müssen diese isoliert untergebracht werden.

Nicht nur das RBK gerät zeitweise an die Grenze seiner Aufnahmefähigkeit in der Intensivpflege. Auch das Katharinenhospital des städtischen Klinikums meldet „deutlich mehr Influenzafälle“, so Sprecherin Ulrike Fischer. Schlägt der Schnelltest bei einem Patienten dann auch an, geht die Suche nach einem Einzelzimmer los. „Das ist nicht immer einfach“, sagt die Sprecherin.

Der Impfstoff wirkt in 90 Prozent der Fälle

Auch in dieser Grippewelle wird wieder die Frage gestellt, wie die Impfungen, die nie einen hundertprozentigen Schutz bieten, dieses Mal gewirkt haben. „Der Impfstoff wirkt“, sagt Mark Dominik Alscher. Anders als vor einem Jahr habe man keine Infektionen von geimpften Patienten. Das ist auch der Eindruck von Manfred Schmid und Anne Gräfin Vitzthum von Eckstädt. Das Landesgesundheitsamt hat festgestellt, dass von den gemeldeten Grippefällen „elf Prozent geimpft waren“, sagt der Epidemiologe Günter Pfaff. Gegen das Virus H3N2 sei die „Impfeffektivität geringer“.

Verglichen mit früheren Jahren ist die jetzige Grippewelle aber noch immer nicht allzu groß. Allerdings seien die gemeldeten Fälle „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Martin Priwitzer vom Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart. In der Grippesaison 2014/2015 seien es in der Landeshauptstadt „mehr als 800 Fälle gewesen“, so Priwitzer.