Exklusiv Die meisten Eisenbahnbrücken in Baden-Württemberg weisen erhebliche Schäden auf. 101 der insgesamt 3008 Brückenbauwerke sind abrissreif. Zwei Drittel haben größere, zum Teil umfangreiche Defekte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die meisten Eisenbahnbrücken in Baden-Württemberg weisen erhebliche Schäden auf. 101 der insgesamt 3008 Brückenbauwerke sind abrissreif. Zwei Drittel haben größere, zum Teil umfangreiche Defekte. Dies geht aus dem Antwortschreiben der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag hervor.

 

Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen, wertet den Befund als Ergebnis einer „sträflichen Vernachlässigung“ der Infrastruktur. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann erklärt gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Die Mittel für den Erhalt und die Sanierung reichen bei weitem nicht aus. Die Bahn und der Bund müssen dafür sorgen, dass diese Vermögenswerte zum Nutzen der Allgemeinheit erhalten werden.“

Nur acht von 3008 Eisenbahnbrücken einwandfrei

Nach der Statistik, die auf Informationen der Deutschen Bahn AG beruht, gibt es überhaupt nur acht Eisenbahnbrücken im Land, die völlig unbeschädigt sind. 1960 weisen größere Schäden auf. Bei 777 ist unklar, ob sich eine Reparatur noch lohnt. 125 dieser in umfangreichem Maße beschädigten Brücken liegen im Netzsegment Stuttgart. Bundesweit gibt es nach Aussage des Bahnchefs Rüdiger Grube 1400 Schienenbrücken mit dringendem Sanierungsbedarf. Grube hatte den „Sanierungsstau“ bei der Bahn Ende vergangenen Jahres auf 30 Milliarden Euro beziffert. Vom Bund erhält die Deutsche Bahn AG jährlich 2,5 Milliarden Euro, um das Schienennetz instand zu halten. Bis 2017 will die große Koalition insgesamt fünf Milliarden Euro mehr als bisher für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur bereitstellen. Allerdings sollen 70 Prozent dieser Summe in den Straßenbau fließen. Den Rest müssen sich Flughäfen, Binnenschifffahrt und Bahn teilen. Für 2013 und 2014 wurden der Bahn jeweils 250 Millionen Euro zusätzlich bewilligt. Der Grünen-Experte Gastel bemängelt jedoch: „Das Geld fließt nicht unbedingt dorthin, wo es am notwendigsten ist.“

Bahn: Sicherheit ist nicht beeinträchtigt

Minister Hermann fordert, „dass erheblich mehr als bisher für den Erhalt der Infrastruktur getan werden muss“. Der miserable Zustand vieler Bahnbrücken verdeutliche, dass es „wenig sinnvoll“sei, die Debatte über unzureichende Finanzmittel für die Pflege und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auf eine Ausländer-Maut zu beschränken. „Es geht nicht nur darum, irgendwie mehr Geld für den Straßenbau einzunehmen.“ Vielmehr würden „deutlich mehr Mittel für den Erhalt aller Verkehrswege gebraucht“. Den Mehrbedarf bezifferte er auf 7,2 Milliarden jährlich.

Die Bahn betont, dass die aufgelisteten Schäden keinen Einfluss auf die Sicherheit hätten. Landesweit gebe es nur in einem einzigen Fall wegen solcher Defekte ein Tempolimit für Züge. Die Infrastruktur werde „permanent erneuert“ und „regelmäßig begutachtet“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Bezogen auf die fälligen Reparaturen räumt er jedoch ein: „Eigentlich bräuchten wir mehr Geld.“