Die grün-rote Landesregierung bringt mit einer Novelle zum Ingenieurgesetz diverse Wirtschaftsverbände gegen sich auf. Diese fürchten einen gesetzlichen Flickenteppich in Deutschland und fürchten spätere Pflichtmitgliedschaften in der Ingenieurkammer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Standards im Ingenieurwesen sind bundesweit sehr vielfältig. Diesen „Flickenteppich“ landesspezifischer Regelungen will die grün-rote Regierung im Südwesten nach Ansicht von Kritikern mit einer Erneuerung des Ingenieurgesetzes noch forcieren. Die Novelle, mit der die geschützte Berufsbezeichnung für Ingenieure auf Grundlage einer EU-Richtlinie geregelt werden soll, schade dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, warnen die Gegner.

 

Entsprechenden Protest hat ein Entwurf des Wirtschaftsministeriums ausgelöst. Weil am 17. Dezember aber schon die erste Lesung im Landtag ansteht, kommt der Widerstand womöglich zu spät. Die Wortführerschaft der Gegner hat der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) inne, der Mitstreiter wie den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) oder den Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) sowie wissenschaftliche Bündnisse hinter sich weiß. Auch die Arbeitgeber in Baden-Württemberg sprechen sich gegen ein Vorpreschen von Grün-Rot und für die laufende Koordinierung der Ingenieurgesetze einer Bund-Länder-Gruppe aus. Züblin-Vorstandsmitglied Klaus Pöllath warnte jüngst für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie vor einer stärkeren Reglementierung der Berufsbezeichnung: „Im Ergebnis müsste sich jeder Ingenieur in jedem Bundesland zunächst erkundigen, ob er weiterhin berechtigt ist, seine Berufsbezeichnung zu führen.“

Furcht vor mehr Bürokratie und weniger Mobilität

Die Gegner werden geeint durch die Furcht, dass das neue Gesetz die Bürokratie vermehrt, die Mobilität der Ingenieure einschränkt und Zuwanderung erschwert, weil jedes Bundesland die Anforderungen auf eigene Weise regelt. Im Kern wenden sie sich aber auch gegen einen umfangreichen Zuwachs an Befugnissen für die Ingenieurkammer Baden-Württemberg. Diese soll anstelle der Regierungspräsidien künftig für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse nach der EU-Richtlinie zuständig sein, was als Beschleunigung gedacht ist.

„Die Kammer besitzt nicht den erforderlichen Kompetenzumfang und ist personell dafür nicht ausreichend besetzt“, rügt jedoch der VDI-Geschäftsführer Paul Martin Schäfer. Dem Ziel der einer transparenten, einheitlichen und kostengünstigen Prüfung der Abschlüsse komme man so „kein Stück näher“. Stattdessen sollte die Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen (ZAB) der Kultusministerkonferenz die Abschlüsse nach einheitlichen Maßstäben prüfen. Damit entstünde ein schlankes Verfahren ohne Gebührensprünge. Ohnehin sei für 2017 ein Bundes-Musteringenieurgesetz geplant – zur Orientierung für die Länder. Bis dahin sollten sich die Umsetzungen der EU-Richtlinie auf das Nötigste beschränken, raten die Kritiker. Ein Sonderweg würde die Unternehmen im Südwesten ungerechtfertigt belasten.