Die katholische Kirche lädt mit neuem Slogan ein. Die Initiatorin erhält begeisterte Zustimmung.

Gerlingen - S eit es den Titel „Gemeinde erleben“ gibt, verzeichnet Gisela Zydel höheren Zuspruch zu ihren Veranstaltungen. „Jung Gebliebene zählen sich nicht zu den Senioren und wollen so auch nicht angesprochen werden“, sagt die 73-Jährige („Ich bin die Jüngste in der Gruppe“). Mit „Gemeinde erleben“ wolle sie auch Menschen unter 60 zeitgemäß ansprechen. Im vergangenen Jahr habe sie drei Veranstaltungen unter dem neuen Logo ausgeschrieben. Diese seien deutlich besser besucht gewesen als unter „-60+“. „Das Wort ,Senioren’ sollten wir aus unserem Sprachgebrauch und unseren schriftlichen Auftritten streichen“, regt die Frau an, die seit langem in der Gemeinde engagiert ist.

 

Im Oktober habe es eine Konferenz gegeben mit Vertretern zweier Gruppen und der Kolping-Familie aus Gerlingen und Ditzingen. Man habe sich Gedanken gemacht, wie alles weitergehen könne. Die Besucher der Gruppen seien zwischen Anfang 70 und 88 Jahren alt, Jüngere kämen nicht nach – die wolle sie aber dabei haben. Die Umbenennung sei ein Anfang, diese Veränderung spiegele den Wandel der Zeit.

„Es hört sich viel positiver an“

Sie habe viele positive Rückmeldungen erhalten. Zum Beispiel „es freut mich sehr, dass Sie den Mut haben, Neues auszuprobieren, Veränderungen zu wagen“. Oder „,Gemeinde erleben’ hört sich viel positiver an“. Oder „bevor die Senioren aussterben, ist diese Änderung ein guter Weg“. Der katholische Dekan Alexander König findet die Umbenennung „einen tollen Schritt. Wir sollten nicht mehr so trennen ,das ist für Junge, das ist für Alte’“. Er plädiert „für offene Arbeit ohne Einschränkung auf das Alter“. In seiner Kirchengemeinde Sankt Maria aber gibt es noch den „Altenclub“.

Auch anderswo im Strohgäu werden die tradierten Bezeichnungen weiter verwendet. Die evangelische Kirche in Ditzingen hat eine Gruppe „aktive Senioren“, in Hemmingen gibt es den „ökumenischen Seniorenclub“. In Gerlingen lädt die Awo zum „Seniorennachmittag“ ein, die Stadt hat ein „Amt für Jugend, Familie und Senioren“, und es gibt den „Seniorenfasching“. Es gebe „keine Gedanken, etwas umzubenennen“, heißt es aus dem Rathaus. In der Lukasgemeinde beschäftigt sich nicht nur der „Seniorenausschuss“ mit „Seniorenarbeit“. In der Petrusgemeinde hingegen gibt es den „Petrustreff 60+“. Der Pfarrer Martin Weeber meint zu den Veränderungen bei den katholischen Nachbarn: „Die Umbenennung ist einleuchtend.“ In seiner Gemeinde habe man noch nicht darüber nachgedacht. Er selbst sei gegen altersspezifische Arbeit und die Trennung der Generationen. Es sei wichtiger, dass die Gemeinde Angebote für alle mache. Dazu gehörten seine Veranstaltungen über Martin Luther.

„Treffpunkt Senior“ umbenannt

Um sich jüngeren Besuchern zu öffnen, wurde auch eine beliebte Einrichtung in Stuttgart umbenannt. Im Treffpunkt Rotebühlplatz war seit 1992 der „Treffpunkt Senior“ integriert. Dessen Leiter, Pfarrer Karlheinz Bartel, hat daraus 2013 den „Treffpunkt 50 plus“ gemacht – nach einer Diskussion über zwei Jahre, auch mit dem Träger, der Evangelischen Akademie Bad Boll. „Es war mir eine Wonne, die Schubladen über Bord zu werfen“, sagt Bartel. Das „Ältliche“ am Namen der Einrichtung habe ihm nie behagt. Die Stigmatisierung sei aber erst mit der Zeit entstanden.

Mit dem Beginn 1992 sei der „Treffpunkt Senior“ etwas Fortschrittliches gewesen, der Name wie das Programm. Die neue offene „Seniorenarbeit“ habe damals bedeutet, vom Altenkaffee wegzukommen. 2013 hätten die Leute auf „Treffpunkt 50 plus“ toll reagiert. „Sie haben gespürt, dass darin die Anerkennung dieser Altersstufe steckt.“ Dianachmittag, Kaffeekränzchen und Vorträge über Rheuma würden der Vergangenheit angehören. Er selbst habe das Wort „Generationenakademie“ vorgeschlagen, daraus sei dann der Kompromiss „50 plus“ geworden. Nichtsdestotrotz sagt Pfarrer Bartel, mit Blick auf die aktuellen Bemühungen in Gerlingen: „Es gehört Mut dazu, in der Richtung vorzupreschen.“ Bartel ist übrigens seit gut einem Jahr selbst im Ruhestand – und über 60.