Eine Möhringer Innenausbaufirma ist mit der Lebenshilfe eine Bildungspartnerschaft eingegangen. Behinderte arbeiten im Unternehmen mit, Auszubildende sind wiederum in den Werkstätten der Lebenshilfe zu Gast.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Sorgfältig streicht Anette Eibelshäuser Öl über das Hinterteil des Holzautos. „Das ist ein Rutschi“, erklärt sie. „Für kleine Kinder ist das der Renner.“ Während die 50-jährige Frau mit einer geistigen Behinderung das Holzteil ölt, steht Lea Waltner (23) neben ihr, schaut ihr gelegentlich über die Schulter und hilft ihr. „Lea könnte für immer hier bleiben“, sagt Eibelshäuser überzeugt – und das, obwohl die Schreinerin in Ausbildung erst seit ein paar Tagen als Praktikantin in der Werkstatt der Lebenshilfe tätig ist.

 

Seit Kurzem besteht zwischen der Lebenshilfe und der Firma Kiess Innenausbau eine Bildungspartnerschaft. Die Auszubildenden von Kiess werden in im dritten Ausbildungsjahr eine Woche in der Werkstätte der Lebenshilfe in Vaihingen eingesetzt. Die Lebenshilfe ist Trägerverband für Menschen mit geistiger Behinderung und hat mehrere Werkstätten. „Ich bin seit November vergangenen Jahres im Beirat der Lebenshilfe“, berichtet Tilo Kiess, Geschäftsführer der Innenausbaufirma, die im Fasanenhof ansässig ist. „Nach wenigen Wochen kam mir die Idee, unseren Auszubildenden die Möglichkeit zu geben, eine Woche Praktikum bei der Lebenshilfe zu absolvieren.“

Handwerk mit Sozialem verbinden

Ende Januar machte ein Azubi den Anfang, in dieser Woche ist die 23-jährige Lea Waltner in der Werkstatt der Lebenshilfe zu Gast. „Der andere Azubi hat regelrecht für die Praktikumswoche bei der Lebenshilfe geworben, da es ihm so viel Spaß gemacht hat“, berichtet Lea Waltner. „Und auch mir gefällt es total gut. In meiner Familie arbeiten einige in sozialen Berufen, sodass ich dieses Berufsfeld schon ein wenig kenne.“ In der Werkstatt könne sie ihr handwerkliches Können mit etwas Sozialen verbinden. Ihre Praktikumswoche verbringt Lea Waltner in der Schreinerei der Lebenshilfe. „Ich wurde herzlich empfangen “, berichtet die junge Frau. Auch sei es für sie spannend gewesen, einmal mit kleineren Produkten zu arbeiten. Die Lebenshilfe stellt vor allem Haushaltswaren und Spielzeuge her. In ihrem Ausbildungsunternehmen sei sie mehr mit größeren Produkten beschäftigt, wie etwa mit Möbelstücken.

Lebenshilfe ist offen für weitere Firmen

„Unser nächstes Ziel besteht darin, dass auch jemand von der Lebenshilfe bei uns ein Praktikum absolvieren kann“, sagt Tilo Kiess. Für die Zukunft hat Kiess außerdem im Kopf, in der Firma einen oder mehrere feste Arbeitsplätze für Menschen mit einer geistigen Behinderung zu schaffen. „Da wird aber vermutlich noch einiges Wasser den Neckar hinunterfließen“, vermutet Kiess. Generell sehe er die Bildungspartnerschaft aber bereits als wichtigen Schritt, um Vorurteilen und Hemmungen im Umgang mit Behinderten entgegenzutreten. „Wir haben bereits drei Gehörlose bei uns beschäftigt und möchten nun noch mehr für Inklusion tun.“

Die Stuttgarter Lebenshilfe kooperiert derzeit mit verschiedenen Firmen aus der Gegend, wie etwa Daimler und der Verlagsauslieferungsfirma Koch Neff Öttinger. „Wir sind stark interessiert daran, nah an der Wirtschaft dran zu bleiben“, sagt Reinhard Bratzel, Geschäftsführer der Lebenshilfe. „Diese Bildungspartnerschaft ist aber bisher einmalig.“ Die Lebenshilfe sei offen auch für weitere Firmen, die eine solche Partnerschaft in Erwägung ziehen.