Mit einem Zuschuss in Höhe von 250 000 Euro unterstützt die Aktion Mensch das Bemühen der Behindertenförderung Linsenhofen/Oberboihingen, die Menschen mit Behinderung ins tägliche Leben der Gesellschaft zu integrieren.

Oberboihingen/Frickenhausen-Linsenhofen - Barrierefreiheit hat Konjunktur. Wenn es um Inklusion, um die Teilhabe von behinderten Menschen im Alltag, geht, darf der Begriff in keiner Sonntagsrede fehlen. Dass es dabei nicht nur darum geht, Türschwellen an öffentlichen Gebäuden abzusenken, sondern auch darum, unsichtbare Barrieren in den Köpfen einzureißen, gerät leicht aus dem Blick. Christin Finkenstein und Adrian Becker sind angetreten, diesen Blick auch für die restlichen Tage der Woche zu schärfen.

 

Die beiden Sozialpädagogen stricken gemeinsam mit der Projektleiterin Ramona Koch von der Behindertenförderung Linsenhofen/Oberboihingen an einem Netzwerk, das die selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen Leben zum Ziel hat. Die Ende des vergangenen Jahres an den Start gegangene und auf drei Jahre ausgelegte Initiative „Inklusion – mittendrin, offen, vernetzt“ wurde von der Hilfsorganisation Aktion Mensch mit einem Zuschuss von 250 000 Euro auf den Weg gebracht.

Partner sollen Netzwerkgedanken weitertragen

„In diesen drei Jahren wollen wir Strukturen schaffen und so weit festigen, dass sie den Projektzeitraum überdauern“, sagt Ramona Koch. Mittlerweile haben die Inklusionsnetzwerker schon ein halbes Dutzend Partner mit ins Boot geholt. Neben den Rathauschefs Simon Blessing (Frickenhausen), Torsten Hooge (Oberboihingen), Steffen Weigel (Wendlingen) haben sich die Nürtinger Bürgermeisterin Claudia Grau, der Sozialplaner im Landratsamt, Michael Köber, und der Dozent an der Dualen Hochschule Stuttgart, Thomas Meyer, dem Anliegen verschrieben. Die Kooperationspartner sollen den Netzwerkgedanken in die Städte und Gemeinden tragen und so dafür sorgen, dass, wie es Ramona Koch formuliert, „die Menschen mit Behinderungen zeigen können, dass sie viel mehr beherrschen, als sie bisher zeigen durften.“

Parallel zu der Überzeugungsarbeit werden die Bedürfnisse der insgesamt 230 von der Behindertenförderung betreuten Menschen ermittelt. „Wir haben es hier vor allem mit Menschen mit geistigen Behinderungen zu tun. Sie haben, anders als Körperbehinderte, meist nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich zu äußern“, sagt Christin Finkenstein. Aufbauend auf einem Katalog, den das Institut für angewandte Sozialforschung Stuttgart mit Hilfe eines Fragebogens erstellen wird, werden vor Ort dann konkrete Projekte ins Leben gerufen.

Breite Diskussion ist längst überfällig

„Wir werden mit unserer Wunschliste auf die lokalen Organisationen und Agendagruppen zugehen und schauen, wie wir zueinanderkommen. Das kann soweit gehen, dass wir einen Behinderten, der gerne Tischtennis spielen würde, individuell in den Übungsabend eines Sportvereins begleiten“, sagt Thomas Fick, der Geschäftsführer der Behindertenstiftung.

Ficks Worten zufolge ist es längst überfällig, die häufig punktuell im Hinblick auf den gemeinsamen Schulbesuch diskutierte Inklusion auf breiterer Basis zu diskutieren. Die Teilhabe am Wirtschaftsleben gehört für die Behindertenstiftung schon zum Alltag. In den Werkstätten in Frickenhausen-Linsenhofen und in Oberboihingen müssen sich die Beschäftigten, wenn auch im geschützten Raum, den Gesetzen der Marktwirtschaft stellen. „Da gehen wir den von der Industrie vorgegebenen Takt mit“, sagt Fick. Noch näher dran sind die 14 Beschäftigten, die an Außenarbeitsplätzen beim Nürtinger Werkzeugmaschinenhersteller Metabo arbeiten. „Wir haben die ursprünglich auf ein Jahr ausgelegte Zusammenarbeit gerade auf unbefristete Zeit verlängert“, sagt der Geschäftsführer, der aktuell mit einem verstärkten Engagement der Einrichtung nicht nur in der Produktion, sondern auch im Dienstleistungsbereich liebäugelt.