Ministerien sollen sich eigentlich aus Wahlkämpfen raushalten. Doch das Innenressort von Reinhold Gall (SPD) konnte der Versuchung nicht widerstehen. Nach einer FDP-Anfrage musste es ein Papier zur Polizei in mehreren Punkten korrigieren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Lob ging Reinhold Gall (SPD) runter wie Öl. Ein „hervorragendes Zeugnis“, berichtete der Innenminister stolz, hätten externe Fachleute seiner Polizeireform ausgestellt. Verglichen mit anderen Bundesländern könne Baden-Württemberg nach der unabhängigen Untersuchung „eine Führungsrolle für sich reklamieren“. Damit werde der Umbau der Polizei gegen alle Kritik klar bestätigt.

 

Gall nutzte die Pressekonferenz Ende Januar gleich noch, um sich selbst zu loben. Wie wichtig der grün-roten Landesregierung die innere Sicherheit sei, zeige auch die – an die Journalisten verteilte – „Finanzpolitische Bilanz“: Jährlich habe man für die Polizei danach „rund 170 Millionen Euro mehr ausgegeben, als es in der Vergangenheit der Fall war“. Belegt wurde das Engagement auf sechs Seiten, mit Schaubildern und Leitsätzen.

Liberale pochen auf Karlsruher Urteil

Genau diese Vorlage bringt den SPD-Mann nun in Bedrängnis. Er wurde nämlich – um im Polizeijargon zu bleiben – auf frischer Tat dabei ertappt, wie er sein Ministerium auf höchst fragwürdige Weise zu Wahlkampfzwecken einsetzte. Von der oppositionellen FDP per Landtagsanfrage zur Rede gestellt, zeigte er sich zwar nicht direkt geständig, ließ die Verstöße aber umgehend korrigieren – auch eine Form der Schuldanerkenntnis.

Nach der Verfassung, so belehrten die Liberalen ausgerechnet den für die Verfassung zuständigen Ressortchef, sei es Regierungen untersagt, „sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen“. Bereits 1977 habe das Bundesverfassungsgericht dies in einem zentralen Urteil klargestellt. Zudem sei es mit dem Grundgesetz unvereinbar, wenn sich „die Regierung als Verfassungsorgan im Wahlkampf gleichsam zur Wiederwahl stellt“. Die Rechte der politischen Parteien auf Chancengleichheit würden nämlich beschnitten, wenn sich Staatsorgane in den Wahlkampf einschalteten.

Wahlwerbung angeblich nicht beabsichtigt

Genau das hat Galls Ministerium aus FDP-Sicht getan. Fünfmal stellte es in der „Finanzpolitischen Bilanz“ die Polizeihaushalte der vorigen und der aktuellen Legislaturperiode gegenüber, jeweils versehen mit den Parteilogos von CDU und SPD; unter den Genossen, so sollte auf den ersten Blick deutlich werden, wurde alles besser. Zudem verglich sich die gegenwärtige Regierung direkt mit der vorherigen: „Wir haben . . . mehr investiert als zuvor Schwarz-Gelb“, noch nie habe es so viele neue Polizeibeamte gegeben „wie unter Grün-Rot“. In der nächsten Legislaturperiode, ließ Minister Gall versprechen, solle dieser Kurs fortgesetzt werden.

Auf die Anfrage von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke reagierte der Genosse hingegen eher kleinlaut. Seine Zentralstelle habe die Bilanz „eigenverantwortlich erstellt“; zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit sei seine Pressestelle. Er selbst habe erst am Tag der Pressekonferenz von der Vorlage erfahren. Wer diese „Broschüre“ geprüft und genehmigt habe? Man habe „keine Broschüre erstellt“, antwortete Gall ausweichend. Weder er selbst noch das Ressort identifizierten sich in amtlicher Funktion mit politischen Parteien; „eine Wahlwerbung durch das Innenministerium war und ist nicht vorgesehen“. Gleichwohl habe man die Bilanz auf der amtlichen Internetseite „aktualisiert“.

Die Parteilogos verschwinden wieder

Korrigiert wäre wohl der treffendere Begriff. Denn getilgt wurden sämtliche Logos von CDU und SPD sowie die Hinweise auf „Schwarz-Gelb“ oder „Grün-Rot“. Auch das verräterische „wir“ entfiel und wurde durch ein neutrales „es“ oder „die Landesregierung“ ersetzt. Ganz gestrichen wurden zwei Aussagen, was man in der nächsten Legislaturperiode plane. Die FDP hatte mithin ins Schwarze getroffen.

Für den Oberliberalen Rülke gibt Gall mit diesen Änderungen „seinen Verfassungsbruch zu“. Er wolle aber „verschleiern, wer daran alles beteiligt war“ – ein „Taschenspielertrick“, der nicht gelingen werde. Der Vorgang zeige, dass Grün-Rot „im Wahlkampf jedes Mittel recht“ sei – und zum wiederholten Male, woran es der Koalition fehle: an „Ehrfurcht vor dem Recht“.